Reisebericht

Fliegen am Stol
Zum Lijak nach Slowenien hatten wir schon öfters eine Reise unternommen, jetzt wollten wir mal noch andere Fluggebiete in diesem Land kennenlernen. So ging es diesmal also ins Socatal. Unsere Fliegerunterkunft befand sich in dem malerischen Bergdorf Drežnica. Der Besitzer, selbst Gleitschirmflieger, hatte immer gute Tipps für den jeweiligen Flugtag parat. Unsere Fliegertruppe bestand aus 9 Piloten, leider war keine andere Pilotin dabei, mit der ich mich über Shoppen, Häkeln und Backrezepte austauschen konnte 🙂  Aber die Truppe einschließlich des Fluglehrers Franz war sehr nett und so stellte das jetzt auch kein Problem dar. Sollte auch nicht die einzigste Reise bleiben, wo mir das passiert ist. Trotzdem schade eigentlich.

Am Anreisetag war nix mehr mit Fliegen, aber am nächsten Tag bei sonnigem Wetter packten wir unsere Ausrüstung in den Bus und los ging es. Die Gassen in dem kleinem Bergdorf waren teilweise sehr eng, manchmal so eng, dass man aufpassen musste nicht die Blumentöpfe von den Fensterbänken abzuräumen mit dem Seitenspiegel des Buses. Da war Milimeterarbeit gefragt. Nachdem wir mit äußerster Präzision das Bergdorf durchquert hatten, fuhren wir hinunter ins Socatal. Das klare Wasser der Soca schimmerte türkisgrün und überall waren Kajakfahrer unterwegs. Außerdem sind mir noch viele Mountainbiker aufgefallen, ebenso andere Gleitschirmflieger. Das Socatal scheint ja ein Paradies für Outdoorsportler zu sein. Wir fuhren erst nach Kobarid, besichtigten den Landeplatz neben der Tankstelle und fuhren dann über Waldwege hinauf zum Stol. Oben hoppelten wir mit dem Bus noch eine Weile am Kamm entlang, wobei man mitunter in schwindelerregende Abgründe blicken konnte, die sich gleich neben der Fahrspur darboten. Endlich waren wir da. Als unser Fluglehrer den Bus auf der Fahrspur wenden wollte, bin ich vorsichtshalber vorher ausgestiegen. Der Startplatz war abschüssig und groß. Die Höhendifferenz bis ins Tal beträgt hier 1.100 Höhenmeter, also einer der höheren Berge. Viel Flugerfahrung hatte ich noch nicht gesammelt und ich bin meistens von niedrigeren Hügeln geflogen.

Nach und nach trafen noch viele andere Piloten/ Flugschulen hier ein. Nach Kobarid zum Landeplatz waren es 9 km, der Ort lag am Ende der langegezogenen Bergkette. In ca. 4 km Entfernung befand sich ein Notlandeplatz, von oben sichtbar. Kobarid war nicht zu sehen. Ich startete hinaus und da ich null Thermikferfahrung hatte, gab mir Franz Anweisungen über Funk, wo ich hinfliegen sollte, wo ich einen Kreis drehen sollte usw. Das war schon irgendwie lustig, ich kam mir so ferngesteuert vor. Das ging die ganze Zeit gut, mittlerweile war ich den Anweisungen folgend zu mehreren Felsen geflogen und drehte dort meine Kreise. Nach längerer Zeit stellte Franz seinen Funkverkehr ein und zack, fiel ich raus aus der Thermik. Ich hatte echt keine Ahnung vom Thermikfliegen. Anstatt bergnah zu fliegen und noch bisschen den Aufwind zu nutzen, flog ich geradeaus ins Tal. Unterwegs stellte ich voller Panik fest, dass ich es nicht mal bis zum Notlandeplatz schaffen würde. Eine Außenlandung! So was war mir noch nie passiert! Ein Dorf lag am Fuße des Berges, da musste ich unbedingt noch drüber! Viel Höhe hatte ich nicht mehr, aber ich schaffte es noch über die Dächer. Dann suchte ich den Boden ab. Ok, da ist der Friedhof, da geht es nicht, dort ein Gemüsegarten, auch ungünstig, aber auf der kleinen Wiese, da müsste es gehen. Und auf die Bäume aufpassen! Alles klappte gut und ich landete kurz vor einem kleinen Bach, noch einen Meter weiter und ich hätte eine Wasserlandung hingelegt Puh. Alles gut. Ich war erleichtert. Meine erste Außenlandung! Hier im Tal war es richtig heiß. Ich packte meine Sachen zusammen und musste die restlichen 2 km mit Gepäck schwitzend über irgendwelche Pfade zum Notlandeplatz laufen. Später hab ich diesen Landeplatz aber immer „getroffen“ und hab mir damit so einen Gepäckmarsch erspart.

Wir machten jeden Tag zwei Flüge, entweder am Stol oder am Kobala. Mittags war immer Siesta angesagt, entweder im Tal oder oben auf dem Berg. Dazu rollte sich unser Fluglehrer eine Decke aus und legte sich zur Mittagsruhe. Ja der Fluglehrerjob kann schon anstrengend sein, besonders wenn man solche Thermikdummys dabei hat 🙂

 

Fliegen am Kobala
Der Kobala liegt bei Tolmin und hat annähernd die gleiche Höhe wie der Stol. Der Landeplatz befindet sich ein Stück weg, am Ortsrand von Tolmin. Während wir mit dem Bus vom Stol durchs schöne Socatal zum Kobala fuhren, hatte sich einer unserer Piloten auf dem Luftweg dorthin aufgemacht. Als wir am Kobala-Gipfel eintrafen, sichteten wir ihn auch im Landeanflug. Echt super! Franz half ihm per Fernsteuerung bei der Toplandung und schon hatten wir einen Helden des Tages. Am Kobala konnte man in zwei Richtungen starten. Manchmal mussten wir trotzdem auf dem richtigen Wind warten, weil er die zwei anderen Richtungen benutzte. Aber kein Problem. Von hier oben hatte man eine herrlichen Aussicht über das breite Tal, die Soca und die Stadt Tolmin. Die Soca schlängelte sich das Tal entlang und funkelte in der Sonne. Auch am Kobala flog ich wieder mit Funkfernsteuerung und Franz zeigte mir, wie man mit dem Rücken zum Berg hangnah hin- und hersoarte. Ich war so happy, endlich mal oben zu bleiben. Dann machte Franz Feierabend und ging zum Bus. Er hatte den Bus noch nicht erreicht, als schon wieder abgesoffen war 🙂  Tja. Einmal sah ich einen Vogelschwarm, der sich in der Thermik drehte. Ich flog dahin und versuchte mich einzureihen. Eine zeitlang gelang mir das auch. Ich fand das absolut faszinierend! Auch mit Jens zusammen hab ich mal meine Runden vorm Berg gedreht. Sehr aufregend fand ich das. Mal den Berg von oben zu sehen, anstatt immer nur schnurstracks den Landeplatz anzusteuern, war ein ganz neues Erlebnis. Später schwebten wir beide in ziemlicher Höhe gemeinsam über das Tal Richtung Tolmin. Es herrschte Sonnenuntergangsstimmung. Wunderschön.

Tolmin von oben. Der Landeplatz befindet sich links hinter der Stadt links unterhalb des Hügels.

Allerdings hatte ich so meine Probleme mit der Stadt. Denn ich wollte nie über die Stadt fliegen, ich wollte immer da lang fliegen, wo man zur Not auch landen konnte. Aber ich hatte auf einem Flug nicht mehr genug Höhe für so einen Umweg. Denn die Stadt wurde von mir immer in einem weiten Bogen umflogen, um dann dahinter zum Landeplatz zu gelangen. Per Funk bekam ich die Anweisung geradeaus direkt über die Stadt zu fliegen. Ich war nicht mehr sehr hoch. Ich flog also geradeaus Richtung Stadt, um aber dann doch wieder einen Bogen einzuschlagen. Wieder die Anweisung, unbedingt geradeaus. Ich fing an zu schwitzen. Unter mir, ganz nah in vielleicht 200 m Höhe, konnte ich ganz deutlich die Häuser, Straßen, Autos, Parkplätze sehen. Verzweifelt hielt ich Ausschau, wo ich hier landen könnte, falls es nicht mehr reichte mit der Höhe. Da gab es nichts. Ich kam immer tiefer. Die Funkstimme versicherte mir aber, dass alles unter Kontrolle wäre. Meine aufsteigende Panik hatte ich aber nicht unter Kontrolle. Kaum hatte ich die letzten Dächer hinter mir gelassen, kam die Landewiese in Sicht. Aufatmen. Auf der landete ich, ohne noch Höhe abbauen zu müssen. Alles gut gegangen. Das hatte ich ganz anders eingeschätzt, aber dafür wird man ja von erfahrenen Piloten betreut. Bei der Landung setzte ich auf dem Schotterweg statt auf der Wiese auf, stolperte und fiel hin. Ich hatte mir das Knie etwas aufgeschürft, nix Schlimmes. Der Fluglehrer, sehr erfreut dass endlich mal sein Erste-Hilfe-Kasten zum Einsatz kam, versorgte die Wunde mit brennendem Jod und einem Pflaster. Danach tranken wir alle Landebier hier auf der Wiese und freuten uns über einen weiteren gelungenen Flugtag.

Als es einmal wettertechnisch an beiden Bergen nicht zum Fliegen ging, fuhren wir zum Lijak, welcher nicht im Socatal liegt. Aber auch hier, leider kein Flugwetter. Zum Lijak hatten wir schon öfters eine Fliegerreise unternommen und hier hatte ich auch ganz am Anfang meiner Gleitschirmkarriere meine allerersten Flüge gesammelt. Das war schon sehr spannend.

Slowenien bietet also für jedes Fliegerkönnen die richtigen Berge, vom Anfänger (Lijak) bis zum Streckenflieger (Stol, Kobala).

 

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