Reisebericht

Ankunft in Kolumbien

Die Winter sind schon komisch geworden. Es ist warm und es gibt keinen Schnee. Aber jedes Mal wenn wir nach Südamerika fliegen, kommt der Winter mit aller Macht zurück, um uns die Anreise zu verhageln, äh zu verschneien. Das letzte Mal sorgte ein Schneechaos dafür, dass wir auf Grund der Verspätung unseren Anschlussflug in Sao Paulo verpassten und uns eine Übernachtungsmöglichkeit in Santiago de Chile suchen mussten.

Unser Reiseziel hieß diesmal Kolumbien. Ich erntete entgeisterte Blicke von nichtfliegenden Freunden, die mit diesem Reiseziel überhaupt nichts anfangen konnten. Wieso ausgerechnet dahin?? Kolumbien sorgt ja auch nicht gerade für positive Schlagzeilen, aber wie sich zeigen sollte, völlig zu Unrecht.

Wir hatten eine nette Einladung von Chris bekommen, in Kolumbien im Valle de Cauca fliegen zu gehen. Von München aus gibt es einen Direktflug mit der kolumbianischen Fluggesellschaft Avianca nach Bogota. Das ist sehr praktisch. Weniger praktisch war eben, dass es nach wochenlanger Schneeabstinenz am Nachmittag anfing zu schneien. Wir beäugten kritisch die Schneeflocken, aber zum Glück blieb das Schneechaos aus. Der Flieger hob also pünktlich ab und machte sich auf die Reise Richtung Südamerika. Damit es nicht ganz so entspannt war, gab es über dem Atlantik starke Turbulenzen. Das Gewackel hielt sehr viele Stunden an, sodass ich ständig aus dem Schlaf gerüttelt wurde. Das ging mir schon ziemlich auf die Nerven. Nach 12 Stunden Flug kamen wir gut in Bogota an. Von hier aus war es nur noch ein Katzensprung bis Armenia. Die Stadt befindet sich in Quindío, der Nachbarprovinz des Valle de Cauca. Wir flogen über die Andenkordillere hinweg und sahen den 5.311 m hohen schneebedeckten Vulkan Nevado del Ruiz, wie er aus den Wolken ragte. Wow.

Unsere Unterkunft in der Nähe von Roldanillo.

Am Flughafen in Armenia wurden wir von einem Fahrer abgeholt. Er erschien mit dem kleinsten Auto, welches er finden konnte und wir hatten Mühe unser Gepäck da hinein zu quetschen. Es war warm und die Landschaft tropisch. Irgendwie erinnerte es mich ein bisschen an Karibik. Nach einer Stunde Fahrt hatten wir unser Ziel erreicht. Als wir am Vormittag in der Unterkunft ankamen, waren die anderen bereits beim Fliegen. Wir wohnen hier etwas außerhalb von Roldanillo bei Horatio in seiner Pension El Corral. Ich hatte ziemliche Bedenken wegen der Tropenmücken hier: Malaria, Dengue Fieber, Gelbfieber… Zur Begrüßung stach mich gleich eine Mücke ins Gesicht. Die Tropenmücken sind eine fiese Sorte hier. Gerade mal so groß wie eine Fruchtfliege, sind sie nur schwer zu entdecken. Auch machten sie keinen Krach beim Fliegen, summten nicht vor sich hin oder so, sodass man ihren Anflug nicht bemerkt. Unpraktischerweise lag das El Corral auch noch an einem Kanal. Also schnell mit Mückenspray einsprühen.

Die Zimmer waren einfach und mit einem Ventilator ausgestattet. Draußen gab es Hängematten zum Chillen und einen kleinen Swimmingpool zum Abkühlen. Tropische Pflanzen sorgen fürs Urlaubsfeeling. Horatio und seine Angestellten waren unglaublich nett. Sie sprachen ausschließlich Spanisch und es war ein großes Manko auf dieser Reise für mich, dass ich mich in dieser Sprache nicht verständigen konnte. Mit Englisch kommt man hier nicht weit. Am Nachmittag sahen wir von der Hängematte aus Gleitschirme auf der La Pista landen, eine Landepiste für Kleinflugzeuge. Nach und nach trudelte unsere Gruppe ein. Die anderen Piloten der Gruppe sind ausnahmslos Streckenpiloten, da tanzen, äh fliegen, wir etwas aus der Reihe mit unseren A-Scheinen.

Am Abend wurde ausführlich ausgewertet, wer wo wie weit geflogen ist. Von Chris bekamen wir ein Bandana geschenkt, darauf war eine Landkarte vom Valle de Cauca aufgedruckt. Praktisch, da kann man sich gleich orientieren, wo man gerade abgesoffen ist und wie es zurück zu nach Roldanillo geht. Beim Fliegen ist jeder mit einem satellitengestützten Spot Gen 3 ausgestattet, damit auch keiner verlorengeht. Mit so einem GPS-Tracker ist man immer auffindbar, man kann Hilfe holen, wenn man verletzt sein sollte oder im Baum hängt. Denn auf Handyempfang kann man sich hier nicht immer verlassen. So ein Notfallsender war die Bedingung fürs Fliegen hier, da man ja allein unterwegs ist zu Lande und in der Luft.

Dieser Chiva-Bus fährt auschließlich mit ohrenbetäubender Salsamusik.

Da Chris hier gut vernetzt ist, hat er uns einen Chiva-Bus organisiert. Das ist ein typischer offener kolumbianischer Bus, der von seinen Fahrern liebevoll bunt angemalt wird. So ein Gefährt stand also abends vor unserer Tür, um uns nach Roldanillo zu fahren. Ich war begeistert. Der Fahrer, El Chipri, mit dem hier typischen Panama-Hut auf dem Kopf, war voll lustig drauf. Ohrenbetäubende Salsa-Musik wurde aufgedreht und wir fuhren los. Da es langsam dunkel wurde, schaltete er seine Lichtorgel am Bus an. So waren wir optisch und auch akustisch nicht zu übersehen. Die Menschen am Straßenrand reagierten auf unser Jahrmarktsgefährt lachend, sie winkten uns zu und manche fingen sogar am Straßenrand an zu tanzen 🙂  Wir hatten die volle Aufmerksamkeit von halb Roldanillo. Da mussten wir jetzt durch. In bester Partystimmung kamen wir im Che Cafe an. In diesem kultigen Restaurant saß man in einem Tropengarten unter Che´s Porträt. Das Essen war hervorragend. Ich bestellte mir Pollo (Hähnchensteak), das ungefähr die Größe des Tellers hatte. Für die Pommes gab es da nicht mehr viel Platz, die mussten sich an den Tellerrand festhalten. Mit dem lokalen Club Colombia Bier und der allgegenwärtigen Salsa-Musik verbrachten wir einen coolen Abend.

 

Fliegen in Kolumbien

Roldanillo ist absolut cool

Am nächsten Morgen stand unser bunter Chiva-Bus wieder vor der Tür, das Gepäck wurde aufs Dach verladen und wir fuhren mit lautem Getöse nach Roldanillo. Roldanillo ist ein total cooler Ort. Die Häuser sind in knallbunten Farben angemalt und mit schönen Graffitis verziert. Am zentralen Platz, dem Parque Elias Guerrero, einem Park, war total viel los. Es gab Restaurants, Supermärkte, Hutverkäufer, Saftbars und jede Menge von Piloten. Denn hier fand gerade die British Open statt. Dementsprechend groß war das Gewusel hier. 150 Teilnehmer und Gleitschirme mussten zum Startplatz transportiert werden, das erforderte schon einigen logistischen Aufwand. Piloten wurden in Busse oder auf die Ladeflächen von Jeeps verladen und die Gleitschirme in LKWs hochgestapelt. Wir hatten natürlich das coolste Gefährt von allen und wurden auch dementsprechend bewundert. Wir holten uns kolumbianische SIM-Karten für unsere Handys und Chris kaufte uns Ananas beim Straßenhändler. Sie war total frisch und schön süß. Wir deckten uns mit Getränken und Lebensmitteln ein und los ging die Fahrt in die Berge. Der Schnellste war unser alter Chiva-Bus nicht, nur die Fußgänger und Schnecken überholten uns nicht. Die Berge waren sehr steil. Die Fahrt zog sich hin und führte durch Regenwald und Bananenplantagen. Durch die laute Musik konnte man sich nur anbrüllen wenn man sich unterhielt, aber das machte nichts. Oben angekommen, war alles in Wolken gehüllt (waWg). Die Sicht betrug nur ein paar Meter, also hieß es abwarten. Das machten wir in einer urigen Kneipe am Straßenrand. Wir tranken Kaffee und aßen Zuckerrohrsuppe mit Käse und starrten in den Nebel, der nur hier und da ein paar Baumwipfel oder Bananenwedel freigab. Schade, nach Fliegen sah das heute nicht aus.

Nebelwald

Nach und nach tauchten die Konturen des Regenwaldes aus dem Nebel wieder auf und wir fuhren zum Stadtplatz El Pico. Der Weg dahin war atemberaubend schlecht, aber unser Chiva-Bus schnaufte auch jeden noch so steilen Berg hinauf. Nur den letzten kurzen Anstieg mussten wir laufen, das Gepäck durfte auf dem Dach sitzenbleiben. El Pico ist ein sehr kleiner runder Berg, der aus der Landschaft ragt. Oben ist eine kleine gerade Startfläche, aber ringsherum fällt der Hügel sehr steil ab. Außer uns waren keine anderen Piloten hier, die wollten bei so einem Mistwetter nicht fliegen. Auch die Competition war abgesagt für heute. Es passte mir nicht, dass noch überall Wolken um uns herum waberten und man den Boden nur zeitweise sehen konnte. Ein Flug ins Ungewisse also. Mir wurde erklärt, in welche Richtung ich fliegen sollte, was zum Landen musste ich mir dann aber selber suchen. Offizielle Landeplätze gibt es in Roldanillo nicht, da hier nur Streckenpiloten unterwegs sind. Eine Landemöglichkeit ist das Stadion mitten in Roldanillo. Allerdings darf es nicht mehr nach 14:00 Uhr angeflogen werden, da dann dort zu starke Thermik herrscht. Das war heute nicht zu befürchten. Dann zog es auf, die Sicht wurde besser. Es herrschte null Wind am Startplatz und die kurze Strecke bis zur Kante bereitete mir Probleme, ich bekam den Schirm nicht in die Luft. Einer nach dem anderen startete hinaus. Es wurden aber heute keine großen Strecken zurückgelegt und die meisten Piloten sind im Stadion gelandet. Auch Jens. Er war mächtig stolz darauf und mega happy. Abends hatten wir wieder die volle Aufmerksamkeit der Einwohner von Roldanillo dank unseres Chiva-Busses und wir verbrachten wieder den Abend im Che Cafe.

Am Startplatz Los Tanques

Da durch die Competition ein Mega-Gedränge am Stadtplatz Aguapanela und El Pico herrschte, beschlossen wir zu einem anderen Startplatz zu fahren, El Tanque. Der war allerdings weiter entfernt, aber kein Problem, im Bus ist ja für (Musik-) Unterhaltung gesorgt. Die Fahrt ging wieder durch Regenwald und Plantagen. Die Piste war in keinem guten Zustand, aber unser Chiva-Bus kam da schon irgendwie durch. Nur gut festhalten musste man sich, damit man nicht aus dem offenen Bus fiel. Als wir ankamen, sah man wieder die Hand vor Augen nicht – waWg (wieder alles in Wolken gehüllt). Wir machten uns trotzdem auf zum Startplatz. Dazu musste noch ein sehr steiler Berg erklommen werden, mit Gepäck versteht sich. Wie ich trotz des Nebels feststellte, waren wir nicht die einzigsten hier. Sehr viele Piloten bevölkerten Los Tanques, aber der Startplatz bot sehr viel Platz. Nach und nach verzogen sich die Wolken und noch mehr Piloten tauchten aus dem Nebel auf 🙂  Jetzt konnte man schon mal nach möglichen Landemöglichkeiten Ausschau halten. Vor uns breitete sich ein sehr großes Tal auf, das Valle de Cauca. Das Tal sieht aus wie ein Flickenteppich mit all den Feldern, hauptsächlich wird Zuckerrohr angebaut. Das Zuckerrohr wird bis zu 3 m hoch und bietet sich nicht als Landefläche an. Am Vormittag fliegt man die Hügelkette entlang, aber gegen Mittag muss man die Berge verlassen und ins Tal hinaus fliegen, weil der Wind dreht und dann vom Pazifik her weht und sich diese Seite des Berges dann im Lee befindet. Im Tal sorgen dann Wolkenstraßen für weiteres Fortkommen. Sehr gute Streckenpiloten fliegen bis zum anderen Ende des Tals, wo es wieder eine Hügelkette gibt. Zum Landen sucht man sich irgendein Feld. Danach beginnt das Kulturprogramm, denn die Piloten werden nicht abgeholt, sondern müssen sich allein zurück nach Roldanillo durchschlagen. Deshalb auch das Bandana 🙂  Laut Chris gibt es hier viele kleine Buslinien und die Einheimischen sind auch sehr freundlich und bieten oft eine Mitfahrgelegenheit an. Für mich war das alles sehr ungewohnt, denn normalerweise werde ich immer nach der Landung abgeholt. Naja, alles halt ein bisschen anders hier. Im Unterschied zu El Pico hat man bei Los Tanques Landemöglichkeiten am Fuße des Berges. Der Startplatz hier ist auch einfach.

Sehr viel los hier 🙂

Nachdem der Nebel sich verzogen hatte, startete ich hinaus, es war auch mittlerweile etwas thermisch geworden und so konnte ich mich ganz gut an einem Bergrücken halten. Da ich nicht vorhatte auf Strecke zu gehen, erkundete ich die Gegend um El Tanque aus der Luft. Unter mir breitete sich der Regenwald aus und auch die Bananenplantagen konnte man von oben bewundern. Der Blick über das Tal war atemberaubend, ich war sehr begeistert. Ich flog so längere Zeit vor mich hin, bis ich mir was zum Landen suchte. Am Fuße des Berges befand sich eine Landebahn für Cessna-Flugzeuge, wo früher die Drogen ausgeflogen wurden. Diese Landebahn befand sich auf dem Privatgrundstück eines Schönheitschirurgen, aber es war erlaubt dort mit dem Gleitschirm zu landen. Da ich aber gehört hatte, dass dort mal ein Pilot von einem Hund gebissen wurde, wollte ich da nicht landen. Also suchte ich von oben den Boden nach einem geeigneten Platz ab. Schließlich entdeckte ich ein bräunliches Feld, das war schon mal kein Zuckerrohr. Im Näherkommen entpuppte sich das Bräunliche als kniehohes Gestrüpp. Und was von oben flach aussah, erwies sich als leichter Abhang. Trotzdem legte ich eine gute Landung hin. Das Gestrüpp entpuppte sich als Klettengestrüpp, meine Hose wurde damit reichlich beklebt, auch mein Gleitschirm bekam etwas ab.

Gut gelandet

Ich war noch voller Adrenalin, so ein toller Flug. Hier unten im Tal war es richtig heiß. Ich packte meine Klamotten zusammen und versuchte so wenig Gestrüpp wie möglich mit einzupacken. Dann lief ich hinunter Richtung Straße. Die anderen befanden sich sonst wo, ich hatte auch keine Ahnung wo Jens war. Ich sah andere Gleitschirmflieger beim Schönheitschirurgen landen und beschloss dorthin zu laufen, damit ich nicht so allein war. Ich lief die Straße entlang, aber konnte das Anwesen nicht finden, obwohl ich es doch aus der Luft gesehen hatte. Am Himmel zogen sich dunkle Wolken zusammen, etwas Wind kam auf und dann fing es auch noch an leicht zu regnen, aber zum Glück nur kurz. Ich konnte nicht ahnen, dass nur knapp 20 km von mir entfernt ein schweres Gewitter tobte und Jens in echte Schwierigkeiten geraten war. Zu allem Übel wurde auch noch eine Rudel Hunde auf mich aufmerksam und liefen mir bellend hinterher. Das hatte mir gerade noch gefehlt, da ich generell Angst vor Hunden habe. Das Szenario war echt zu viel für mich. Außer mir war auch kein Mensch hier, nur gelegentlich fuhr ein Auto vorbei. Die Hunde ließen nicht von mir ab und begleiteten mich eine ganze Weile. Zum Glück bin ich Tollwut geimpft, dachte ich mir, ich wird es überleben. Ich wusste nicht, was ich machen sollte, zum Glück kam auf einmal ein Bus vorbei, ich rannte auf ihn zu und hielt ihn an. Ich stieg ein, die Hunde nicht. Der Bus fuhr nach Roldanillo und hielt am Busbahnhof. Puh, geschafft.

Dort, im Parque Elias Guerrero, erholte mich erst mal etwas, sammelte die Kletten von meiner Hose und bestellte mir mit Händen und Füßen einen frisch gepressten Saft bei den netten Damen vom Cholados El Paisa. Nach und nach trudelten auch die anderen ein, je nachdem wie weit sie geflogen waren. Mehrere Piloten erzählten von einem heftigen Gewitter, welches sie plötzlich überraschte. Sie erzählten mir, dass sie nur mit Mühe und Not landen gehen konnten und dabei auch rückwärts geflogen sind. Zum Glück hatte sich keiner ernsthaft verletzt. Jens war immer noch nicht in Roldanillo, aber noch machte ich mir keine Sorgen. Wir dösten noch bisschen im Parque herum und dann fuhren wir mit dem Taxi ins El Corral.

Erst mal ein Landebier nach der Aufregung.

Am späten Nachmittag kam Jens, er war verdreckt und völlig aufgedreht und hatte zerrissene Klamotten. Seinen Adrenalinpegel hatte er immer noch nicht abgebaut. Die paar Regentropfen, die nach meiner Landung herunterkamen, erwiesen sich an anderer Stelle des Tals als kräftiges Gewitter. Da solche Gewitter hier eigentlich nicht üblich sind, wurde die Gefahr von vielen Piloten unterschätzt. Jens hatte sich ein schönes Landefeld ausgesucht, welches in der Nähe einer Straße lag, damit er nicht so weit laufen musste. Das erwies sich als Fehler, denn hier hieß es schnellstens landen gehen, als die schwarzen Wolken immer näher kamen. Das Landefeld erreichte er nicht mehr. Durch die plötzlich einsetzenden starken Böen flog er rückwärts. Unter ihm befand sich ein Feld mit Weinreben, kein guter Landeplatz, aber er hatte keine Wahl. Zwischen den Weinreben steckten hohe Pfosten, die oben mit Draht verspannt waren. Er versuchte auf dem schmalen Weg zu landen, was ihm aber nicht gelang. Der Wind drückte ihn in die Weinreben hinein mit den Pfosten und dem Draht. Dort blieb er hängen, mit den Füßen in der Luft. Aber er hatte es geschafft. Er öffnete seine Karabiner, sprang zu Boden und versuchte sich irgendwo unterzustellen, da sehr heftiger Regen begann. Zusammen mit Landarbeitern aus Venezuela stellte er sich in einer Lagerhalle unter, um das Unwetter abzuwarten. Zum Glück hatte er sich nicht weiter verletzt, die Bilanz waren nur zerrissene Klamotten und große Schrammen. Nachdem das Gewitter vorüber war, wollten ihm die Arbeiter helfen den total durchweichten Schirm aus den Schnüren zu befreien.

Jens durchnässter Schirm wird zum Trocknen ausgebreitet.

In der Unterkunft packten wir den Schirm aus. Er war komplett nass und verdreckt, überall Weinblätter (Weintrauben fanden wir nicht darin). Die Leinen waren extrem verwirrt. Wir auch. Wie sollten wir das jemals wieder auseinanderbekommen? Gemeinsam mit den anderen Piloten versuchten wir da wieder Ordnung reinzubringen, was mit aller Hilfe auch gelang. Zum Glück war der Schirm bei dieser Bruchlandung nicht beschädigt worden. Er wurde ausgebreitet und trocknete bis zum nächsten Morgen. Puhhhhh, was für ein Tag, da mussten wir uns im Che Cafe erst mal mit einem Landebier beruhigen. Mir wurde erklärt, wie ich mich im Falle der Hunde zu verhalten habe. Nämlich keine Angst zeigen und mit Steinen nach ihnen werfen. Dann würden die schon abhauen.

Jens hielt das gut überstandene Abenteuer aber nicht davon ab, wieder am nächsten Tag fliegen zu gehen. Wenn man so etwas glimpflich überlebt hat, dann fühlt man sich wahrscheinlich unverwundbar. Ein Tag lief hier immer gleich ab. Ein schönes Frühstück bei Horatio, danach ein kurzer Stop in Roldanillo und dann fuhren wir die Berge hinauf zum Stadtplatz. Heute war wieder Los Tanques angesagt, da ja die Competition die Startplätze El Pico und Aguapanela blockiert. In der Nacht hatte es geregnet und auch am Berg war wieder alles voller Nebel. Manche Piloten waren gleich gestartet, aber berichteten plötzlich über Funk von Regen und dass sie jetzt schnell landen gehen müssten. Dann fing es auch am Stadtplatz ziemlich heftig an zu regnen. Die Streckenpiloten sind alle schnell am Fuße des Berges beim Schönheitschirurgen eingelandet mit nassen Schirmen. Eine Gruppe Franzosen hatte er eine große Plane mitgebracht, wo Piloten und Gleitschirme einigermaßen trocken untergebracht waren. Auch ich quetschte mich unter die Plane, obwohl ich nicht mal Bonjour sagen konnte. Trotz des Wetters waren die Franzosen bester Laune, leider konnte ich ihre Witze nicht verstehen. In einer Regenpause lief ich hinüber zu den anderen, die sich im Toilettenhäuschen untergestellt hatten. Dort standen wir dicht gedrängt in oder außerhalb der Toilette, ein Gleitschirm besetzte die Klobrille. Mehr oder eher weniger waren wir durch das löchrige Blechdach vor dem Regen geschützt. In unserer Ecke standen ein Kanadier, eine Holländerin, ein Schweizer und wir beide. Ziemlich international hier. Umgangssprache war Englisch 🙂 und wir hatten vieeeel Zeit um uns zu unterhalten, da der Regen ewig nicht aufhörte. Das Wellblechdach war auch nicht gerade dicht und musste von uns notdürftig repariert werden. Nachdem wir zwei Stunden in einer ungünstigen Position verharrt hatten, konnten wir endlich ins Freie gehen.

Wir bleiben mit unserem Chiva-Bus auf den Schlammpisten stecken.

Während andere den nassen Schirm auspackten, um ihn trocken zu fliegen, war mir die Lust auf einen Flug vergangen. Also fuhren wir mit dem Chiva-Bus wieder zurück. Der Wolkenbruch hatte aber auch die Wege im Regenwald aufgeweicht, sodass wir mit unserem Chiva-Bus vom Weg wegrutschten und im Schlamm stecken blieben. Alle Versuche, den Bus aus dieser misslichen Lage zu befreien, schlugen fehl. Das war blöd, so hieß es aussteigen und zu Fuß weiter laufen. Das Gepäck durfte es sich weiterhin bequem machen. Wir liefen sehr lange den schlammigen Dschungelweg entlang. Auch meine Fliegerstiefel waren dick mit rotem Schlamm bedeckt, davon wurden sie aber auch nicht schöner 🙂  Schließlich erreichten wir die Asphaltstraße, dort befand sich eine Kneipe. Hier tanken wir Kaffee und aßen etwas. Dann hielten wir einen vorbeifahrenden Bus an, der uns zurück nach Roldanillo brachte. Das Gepäck sahen wir dann irgendwann am Abend wieder, das heißt, El Chipri konnte seinen Bus tatsächlich aus dem Schlamm befreien. Abends gab es ein typisch kolumbianisches Essen in einem traditionellen Bojio (Palmen-Rundhaus). Das Menü bestand aus Suppe, Fleisch und die hier typischen Kochbananen Pancakes (Patacones). Nachtisch gab es auch und neben Landebier stand bunte Limonade auf dem Tisch.

Die Wolken haben sich noch nicht richtig verzogen, da starten schon die ersten Piloten.

Wenn ein Profipilot sagt, heute ist es bockig in der Luft, dann sollte man das ernst nehmen. Ich startete beim Los Tanques hinaus und flog zu der Stelle, wo es das letzte Mal so schön nach oben ging. Auch heute ging es wieder schön nach oben, aber ich fing mir einen gewaltigen Klapper ein. Mit einem lauten Knall ging der Gleitschirm wieder auf. Ich war mega erschrocken, aber es war ja nichts passiert. Nachdem ich im weiteren Flug noch so einen Mega-Klapper kassierte, hatte ich keine Lust mehr weiter zu fliegen und steuerte das Tal an. Ein anderer Pilot, mit dem ich heute eigentlich zusammen eine kleine Strecke fliegen wollte, bot mir seine Hilfe an und er begleitete mich bis zum Fuß des Berges. Aber ich lehnte ab. Danach drehte er ab und wieder bis zum Gipfel auf. Auch wenn man sich in Bodennähe befand, konnte man oft sich wieder richtig in die Höhe schrauben. Auch ich kam ewig nicht runter, aber das störte mich nicht. Zumindest bekam ich hier keine Klapper und so suchte ich mir etwas Geeignetes zum Landen. Ich sah ein schönes grünes Feld (hohes Gras), beschloss dann aber auf dem Nachbarfeld zu landen, da ich von oben nicht erkennen konnte, was diese Stecken in der Wiese zu bedeuten hatten. Wie sich im Nachhinein herausstellte, waren dort kreuz und quer Elektrozäune gezogen. Mein Landeplatz war auch nicht optimal, war mit höherem Gebüsch und Gestrüpp bewachsen, was aber kein Problem darstellte. Da ich bei der Landung dadurch schlecht laufen konnte, bevorzugte ich die A….landung. Das wurde mir empfohlen, wenn das Gelände unwegsam ist und man sich beim Laufen eventuell verletzen könnte. Klappte prima. Kaum war ich gelandet, war es wieder sehr heiß. Den Schirm in dem Gestrüpp einzusammeln war gar nicht so einfach und akkurat zusammenlegen erst recht nicht. Egal. Auf einmal verdunkelte sich der Himmel, naja nicht wirklich 🙂  Über mir schwebte eine Armada von Gleitschirmen hinweg, aha, das war die Competition. Was für ein grandioser Anblick, diese vielen bunten Schirme am Himmel. So einen Wettbewerb hatte ich noch nie gesehen. Erst flogen sie in die eine Einrichtung und dann kamen sie alle wieder zurück und flogen noch einmal über mich hinweg. Wie ein Insektenschwarm, nur schön bunt. War saucool anzusehen.

Die Kolumbianer sind sehr nett und hilfsbereit. Dank meiner fehlenden Spanischkenntnisse kann ich mich mit ihnen leider nicht unterhalten.

Nachdem ich meine Sachen zusammen gepackt hatte, lief ich zum Rand des Feldes. Es war mit Stacheldraht eingezäunt und ich hatte die Wahl zwischen unten drunter kriechen oder oben drüber klettern. Ich entschied mich für Ersteres und   nachdem ich mich durch den Dreck gewühlt hatte, standen freundliche Kolumbianer hinter dem Gartenzaun und winkten mir freundlich zu. Ich lief durch ein Dorf auf einer ungeteerten Straße. Alles war wie ausgestorben. Eine Frau fuhr auf einem Motorrad an mir vorbei und deutete an, dass sie mich mitnehmen könnte. Ich lehnte ab und lief weiter. Wie ich vermutet hatte, endete diese Staubstraße auf der Asphaltstraße, die nach Roldanillo führt. Hier musste es einen Bus geben. Ich setzte mich in den Schatten und ein Mann mit einem Fahrrad kam vorbei. Er bestürmte mich mit Fragen, die ich alle nicht verstand. Er deutete mir an, dass er den Gleitschirm auf seinem Fahrrad transportieren könnte. Aber bis Roldanillo war es zu weit. Ich setzte mich unter einen Baum in den Schatten und dann setzten sich noch eine Frau und ein Kind zu mir auf die Bank und leisteten mir Gesellschaft beim Warten auf den Bus. Ich bemühte den Google-Übersetzer auf meinem Handy, um mich wenigstens ein bisschen unterhalten zu können. Wir waren so ins Gespräch vertieft, dass der Bus an uns vorbeirauschte. Mist. Der Mann stellte sich daraufhin an die Straße, um den nächsten Bus anzuhalten. Alle größeren Ortschaften sind hier durch Buslinien verbunden, aber es gibt keinen Fahrplan und keinen Haltestellen. Man hält den Bus einfach an und kann zusteigen. Als der nächste Bus endlich kam, wurde sogar mein Gepäck von den hilfsbereiten Menschen hinein getragen und sie winkten mir noch lange hinterher. Ich war beeindruckt von der Freundlichkeit der Kolumbianer. Hat also alles gestimmt, was Chris uns erzählt hatte.

Im Bus traf ich Diego und wir gingen gemeinsam in Roldanillo Mittagessen in einem etwas abgelegenen einheimischen Straßen-Restaurant. Da er jedes Jahr den ganzen Winter immer in Roldanillo verbringt, kennt er hier echt jede Straßenrestaurantbesitzerin persönlich. Das Essen war super, spottbillig und guter Laune fuhren wir zurück zum El Corral. Jens wurde heute nach der Landung wieder von einem Hund verfolgt, welcher aggressiv bellte. Jens ließ sich nicht beeindrucken und warf vorschriftsmäßig Steine nach ihm. Davon bekam der Hund solche Angst, sodass er in einen Kanal sprang und ans andere Ufer zu schwamm. Um dann dort weiterzubellen. Aber das war ja dann egal.

Den Abend verbrachten wir wieder im Che. Für Belustigung sorgten heute so komische Geräusche, die man nicht deuten konnte. Wie wir zusammen mit den Angestellten vom Che herausfanden, war es ein kleiner Frosch, der sich in einem der Blumentöpfe versteckt hatte. Gequakt hat er aber nicht, scheinbar sprechen die Frösche hier eine andere Sprache  🙂

 

Die British Open und ich mittendrin statt nur dabei

Der Startplatz Los Tanques von oben aus gesehen.

Chris schlug mir einen Tandemflug vor und ich fand die Idee prima. Heute war es soweit. Mein Tandempilot war Jonathan von der Cloudbase. Wir wollten gemeinsam auf Strecke gehen, da ja meine Flugstrecken hier nicht soooo lang waren. Wir starteten am Los Tanques und flogen den Bergrücken entlang Richtung La Union. Er drehte schön auf und wir befanden uns meistens kurz unter den Wolken oder auch schon etwas mittendrin, aber immer so, dass man noch bisschen was vom Boden sehen konnte. Ich bin noch nie so hoch in den Wolken geflogen und hätte mich auch nicht getraut, da ein bisschen reinzufliegen. Aber Jonathan ist Profi und er meinte, das wäre überhaupt kein Problem. Ich war schwer begeistert, genoss die grandiose Aussicht und hatte viel Zeit Fotos zu machen. Da mir schon mal bei einem Tandemflug (in Nepal) sauschlecht geworden ist, war ich bemüht mich nicht zu sehr auf meine Kamera zu konzentrieren. Nachdem wir in La Union gewendet hatten, flogen wir das Bergpanorama wieder zurück. Gelegentlich waren wir recht tief, sodass wir keine 100 m mehr unterm Gurtzeug hatten. Aber Jonathan schaffte es immer wieder aufzudrehen. In so einer Situation wäre ich schon längst zum Landen gegangen. Er erzählte viel und gab mit Tipps fürs Fliegen. Das mit den Wolken muss ich mal ausprobieren. Auf einmal kam Los Tanques in Sicht. Wir flogen immer näher und darüber hinweg. Ich konnte es nicht fassen, weit unter mir sah ich Jens. Er hatte seinen Schirm ausgebreitet und war noch nicht gestartet. Ich brüllte hinunter und winkte und er winkte zurück.

Wir flogen weiter Richtung Kreuzberg. Unter uns breiteten sich der Regenwald und die Bananenplantagen aus. Einfach grandios. Nach dem Kreuzberg gab es ein großes breites Tal, welches überquert werden musste. Wir schafften das und am nächsten Bergrücken, wo wir recht niedrig ankamen, drehte Jonathan wieder auf. Auf einmal sah ich ganz viele Schirme in der Luft, aha, wir näherten uns El Pico und Aguapanela, das war die Competition. Die meisten Piloten befanden sich unter einer Wolke und drehten im Kreis Warteschleifen. Wir steuerten drauf zu und ich konnte es kaum fassen, wir waren mittendrin in der Competition. Wow. Nachdem wir auch diese Wolke erreicht hatten, kreisten wir zusammen mit, keine Ahnung, 100 anderen dicht gedrängt unter dieser Wolke. Totales Gewusel um uns herum. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Grandios. Jonathan entdeckte einem Bekannten und sie „unterhielten“ sich lautstark. Ich war schwer begeistert, so etwas hatte ich beim Fliegen noch nicht erlebt und so nah bin ich so vielen anderen Schirmen auch noch nicht gekommen.

Wir fliegen zusammen mit der Weltelite. Ich kanns nicht fassen. Grandios.

Über dem Tal gab es eine zweite Wolke, unter der sich auch sehr viele Piloten befanden. Wir hielten uns sehr lange dort auf, kreisten mit der Weltspitze um die Wette und ich konnte meine Begeisterung kaum zurückhalten. Alle befanden sich in Warteposition, bis sie endlich loslegen durften. Auch wir verließen nach langer Zeit den Thermikspot und flogen ins Tal hinaus. Leider fand Jonathan dort keine ergiebige Wolkenstraße. Das Tal war überzogen mit braunen und grünen Feldern und mittendrin schlängelte sich der Fluß Cauca dahin. Ich bin Flachlandfliegen nicht gewohnt und konnte mal einen völlig anderen Ausblick genießen. Denn ich bin gewohnt, dass man immer am Berg fliegt. So ringsrum nix, ist auch mal was. Dann flogen wir über Roldanillo und in der Mitte der Stadt befand sich das Stadion. Jonathan erklärte mir, dass die Landung nicht ganz einfach sei und schon der ein oder andere Pilot im Baum am Rande des Stadions hängen geblieben ist. Ja, das Stadion sollte man schon treffen, unter mir befanden sich nur Dächer und Straßen. Auch auf die Lichtmasten jeder Ecke des Platzes musste man aufpassen. Wir bauten unsere Höhe dicht über den Dächern ab und landeten dann wohlbehalten im Stadion von Roldanillo.

Wir landen im Stadion von Roldanillo.

Unser Flug hatte zweieinhalb Stunden gedauert und für mich hatte es sich wirklich total gelohnt das Valle de Cauca einmal so zu erleben. Neugierig kamen gleich Kinder angelaufen und dann wir fuhren mit dem Taxi zurück zur Cloudbase. Jonathan zeigte mir noch sein Hotel, wo Flieger übernachten können, war alles cool eingerichtet. Ich erstand ein Cloudbase-T-Shirt und machte mich auf zum Parque Elias Guerrero, um die anderen zu treffen. Jens war heute 13 km weit geflogen und dann auf La Pista gelandet, einer Landepiste für Kleinflugzeuge in der Nähe von El Corral. Er war mega happy über seinen Flug. Jeden Abend fand eine ausführliche Auswertung und Analyse der Flüge statt. Meine Flugstrecke war heute auch mal bisschen länger, aber das war ja nicht mein Verdienst. Die anderen Piloten fliegen hier schon mal 60 oder auch 100 km weit und wenn sie nur 40 km geflogen sind, haben sie schlechte Laune. In Roldanillo besuchten wir ein Fischrestaurant, danach fuhren wir dem Chiva-Bus ins Stadtzentrum und unsere Musik wurde durch noch lautere Musik übertönt. Es fand nämlich eine große Party statt, die British Open waren zu Ende und die Sieger wurden bekanntgegeben. Von der Bühne ertönte laute Salsa-Musik und nicht nur die Salsatänzer, sondern halb Roldanillo tanzte mit. Die Einheimischen waren mit Kind und Kegel unterwegs und es gab Luftballons und Zuckerwatte und Eis – ein richtiges Straßenfest eben. Ja, die Kolumbianer verstehen sich aufs Feiern. Erst vor kurzem wurden wir durch ein großes Feuerwerk von unserem Essen im Che aufgeschreckt, der Grund: 444-Jahr-Feier in Roldanillo. Wieder der gleiche Trubel wie heute, aber eben mit viel Feuerwerk. Heute ohne Knallerei, aber genauso cool.

 

An der Basis

So, heute fliege ich aber wieder alleine. Ich hatte gestern so einiges gelernt bei Jonathan und das will ich heute gleich mal anwenden. Zum Beispiel das mit der Basis.

Da ich ja keine Streckenfliegerin bin, das hier aber Streckenflugrevier ist, war für diese Reise geplant, dass ich einen Guide bekommen sollte, der mit mir zusammen kleine Strecken fliegt. Aber irgendwie sind wie nie zusammen gekommen. Er hatte bei der Flugplanung immer sehr ambitionierte Pläne und ich hatte meine Zweifel, ob ich mit meinem lahmen Schirm seinem C-Schirm auch hinterherfliegen kann. Auch Jens meinte, es gibt schon gewaltige Unterschiede gibt zwischen seinem Low-B-Schirm und den C-Schirmen der Streckenpiloten. Das merkte er, wenn er mit ihnen mal zusammen flog, in Bezug auf zurückgelegter Strecke oder sei es nur die Überquerung eines Tals. Aber er machte seine Sache ziemlich gut. Auch er ist ja kein Streckenflieger. Aber er versuchte jeden Tag ein bisschen weiter zu fliegen und machte auch ständig Fortschritte. Allerdings allein, die anderen Piloten waren ihm da schon immer längst davongeflogen. Meine Ambitionen waren da nicht so weit gediegen, denn mein A-Schirm war noch lahmer und nach meinem Landeunfall in Nepal fand ich den Gedanken auf nicht so optimalen Flächen einlanden zu müssen, nicht so toll. Am liebsten wäre mir eine schöne große Wiese mit Windsack gewesen (die man auch vorher noch besichtigt hatte 🙂 ), aber die gab es hier ja nicht. Woher der Wind kam, konnte man hier auch nur raten, denn oft wechselte er nochmal seine Richtung durch die Thermiken am Boden. Auch die Landegeschwindigkeit war hier durch die Höhe des aufgeheizten Tals höher als normal. Aber irgendwie kamen mein Guide und ich nie zusammen. Entweder hatte er keine Zeit, weil er arbeiten musste oder wir waren uns nicht übers Wetter einig (ich wollte nicht bei Regen fliegen) oder ich beschloss, dann doch alleine loszuziehen.

Von oben muss man dann eine Auswahl der Landeflächen treffen.

Nach dem Start am Los Tanques suchte ich wieder meinen bekannten Hotspot auf und er wartete auch zuverlässig wieder an der gleichen Stelle auf mich. Ich behielt den Schirm fest im Griff, um nicht wieder solche Mega-Klapper zu kassieren und das gelang mir auch. So konnte ich den Bart schön ausdrehen bis zur Wolke. Normalerweise wäre ich schon vorher weggeflogen, aber Jonathan hat es ja auch so gemacht. Auf Augenhöhe mit der Wolke, das war ein seltener Anblick für mich. Ich fands cool. Als als es langsam neblig wurde, drehte ich ab bevor ich gar nichts mehr sehen konnte und flog zum Rand der Wolke. Ich war ganz schön hoch, aber konnte es genießen. Jens hatte mich zwar von unten gesehen, aber war der Meinung, dass ich das nicht sein konnte. Denn so weit oben, da hatte er mich nicht erwartet, hihi. Lustigerweise hatte ich mich früher immer an den Abrisskanten am Boden orientiert. Anstatt nach unten, hätte ich mal nach oben blicken müssen, um die nächste Thermikwolke zu suchen. Das ging längere Zeit so mit der Fliegerei hier, es gab auch kein Gedränge hier oben, es war genug Platz für alle da. Die meisten Piloten flogen eh weg vom Los Tanques die Bergkante entlang, sobald sie die Wolken erreicht hatten. Da ich nicht auf Strecke gehen wollte und man aber mittags vom Berg wegfliegen musste, da der einsetzende Pazifikwind dann hier für ein Lee sorgt, suchte ich mir was Schönes zum Landen. Ich kam sehr hoch im Tal an und dadurch vergrößerte sich auch meine Auswahl an Feldern, die ich anfliegen konnte. Beim Schönheitschirurgen wollte ich nicht landen, das hatte ich nicht nötig 🙂  Daneben befand sich ein abgeerntetes Zuckerrohrfeld, das steuerte ich an. Besonders die abgeernteten Felder können bei der Hitze ein Problem werden, Jens ist es passiert, dass kurz nach seiner Landung ein Dust Devil durchgeweht ist. Da hatte er Glück gehabt, dass er schon am Boden stand. Theoretisch hätte ich über dem Feld auch wieder schön aufdrehen können, aber ich hatte Lust auf eine Siesta. Der Schirm bewegte sich nur zentimeterweise nach unten, aber ich hatte ja Zeit. Mit der Windrichtung habe ich mich verschätzt, aber ich kam trotzdem gut unten an.

Zuckerrohrfeld, ist nicht zum Landen geeignet, da die Stengel bis drei Meter hoch werden.

Das Zuckerrohrfeld nebenan war noch nicht abgeerntet. Von oben sieht es so schön grün aus wie eine Wiese, aber die „Grashalme“ 🙂 erreichen eine Höhe von drei Metern!! Da sollte man wirklich nicht landen, außer mal will anschließend in einem Labyrinth den Ausgang suchen. Ich packte meinen Schirm zusammen und packte dazu noch zwei Kilo Stroh ein, das Zeug war hier einfach überall. Auf einmal sah ich Jens am Himmel über mir. Er kreiste über dem Feld und ich hüpfte wie wild hin und her und winkte. Unbeeindruckt landete er auf der Flugzeugpiste beim Schönheitschirurgen. Ich war bisschen sauer. Hatte er mich nicht gesehen oder wollte er mich nicht sehen? Der Stacheldraht war diesmal einfacher zu überwinden, es befand sich ein großes Loch darin. Auf dem Feldweg kam ein Jeep vorbei, sie hielten und wollten mich mitnehmen. Ich lehnte ab, da ich auf Jens warten wollte, der ja hier vorbeikommen musste. Er kam ewig nicht, vielleicht hatte er einen anderen Weg genommen. Da ich keine Ahnung, hatte wie ich zur nächsten Straße kommen sollte, schloss ich mich zwei Gleitschirmfliegern an, die dort auch dorthin wollten. Auf einmal bellte uns wieder eine Hundemeute an, ich bekam Panik und griff nicht zu den Steinen sondern ergriff die Flucht. Wieder an der Ranch angekommen, traf ich einen anderen Piloten mit dem ich mich im Schatten unterhielt. Er erzählte auch krasse Geschichten vom Fliegen hier, wie so alle. Gefühlte Stunden später tauchte endlich Jens auf. Er hatte mich nicht gesehen, sagte er. Wir erwischten den Bus an der Hauptstraße und fuhren zurück nach Roldanillo, wo wir gemütlich Kaffee tranken bei Mr. Coffee und im El Palacio De Los Jugos, zu deutsch Saftladen, einen frisch gepressten Saft bestellten. So verbrachten wir den Nachmittag. Einer aus unserer Gruppe ist heute 100 km geflogen, Jens hatte es auf 16 km geschafft. Er steigert sich langsam. Als ich den anderen erzählte, dass ich heute auch in die Wolken geflogen bin, erntete ich verständnislose Blicke der Streckenpiloten. Tja, was für den einen ein tolles Erlebnis ist, ist für die anderen ganz normal 🙂

 

Kaffee, Kochbananen und Karneval

Der Startplatz Aguapanela (im Vordergrund) und El Pico (im Hintergrund).

Auf Grund der vielen Lauferei mit dem Gleitschirmgepäck hatte sich schmerzhaft eine alte Meniskusverletzung am Knie wieder gemeldet. Ich beschloss, deswegen eine Flugpause einzulegen, da es jeden Tag nur schlimmer werden kann, wenn ich das Knie weiter so belasten würde. Denn das hatte ich im letzten Spanienurlaub gemacht (einfach ignoriert) und danach konnte ich am Flughafen nur noch auf einem Bein hüpfen. Heute war El Pico angesagt, der steile Grashügelstartplatz, den ich nicht unbedingt ins Herz geschlossen hatte. Am El Pico oder Aguapanela starten nur Streckenpiloten, deutsche oder österreichische Flugschulen sah ich hier nicht. Die gehen lieber zum Los Tanques mit seinen Landemöglichkeiten am Fuße des Berges. Am El Pico trafen wir einen der besten Streckenpiloten der Welt, Pál Takáts. Chris wollte sofort einen Tandemflug für mich klarmachen und redete mit ihm. Er erzählte mir, Pál fliegt nicht unter fünf oder sechs Stunden, so eine Gelegenheit ist wirklich einmalig. Ich hatte allerdings gar kein entsprechendes Eqiupment dabei für so einen langen Flug 🙂  Leider war er aber tandemmäßig schon besetzt. Nun gut, kann man nichts machen.

Es war aber trotzdem sehr spannend hier. Innerhalb kurzer Zeit sah ich fünf ! Piloten am Hang einlanden, weil die Höhe nicht mehr reichte um ins Tal zu gelangen. Die zwei Retterwürfe heute hatte ich nicht gesehen, aber davon gehört. So eine Hanglandung ist nicht lustig, denn die Hänge sind extrem steil, es gibt Bäume, Sträucher, außerdem noch Kühe und Stromleitungen. Vor Tagen hatten mir jeweils drei Piloten ihre Stelle gezeigt, wo sie notlanden mussten. Extrem steiles Gelände sowie Glück gehabt (umgeknickter Fuß in einem Fall). Chris erzählte, dass er aus der Luft gestern einen Piloten gesehen hatte, der in den hohen Bäumen des Regenwaldes hing. Also nicht so einfach, das Fliegen hier.

Für alle die heute zu lange gewartet hatten, wurde aus dem Fliegen nix, es fing an zu regnen. Wir stellten uns wieder dicht gequetscht unter einem Wellblechdach unter und fuhren dann mit Alvaros grünem Jeep (El Chipri hatte keine Zeit) ebenfalls dicht gequetscht zurück nach Roldanillo. Am Startplatz Los Tanques hatten wir unterdessen eine Show verpasst, einer der Piloten war in das Wellblechdach des Toilettenhäuschens gekracht. Ja so eine Sch……. .

Mit Alvaro erkunde ich eine Bananenplantage.

Auch Jens hatte ziemlichen Respekt vorm El Pico. Er wartete immer recht lange mit dem Start, bis auch wirklich die Thermik zuverlässig um die Ecke kam und er sich sicher sein konnte, dass er es weiter schafft. Zum Glück hat es auch immer gut geklappt. Ich beschloss heute mit Alvaro die Gegend zu erkunden. Mit seinem grünen Jeep wollten wir weiter in die Berge fahren bis zum Hotel Bella Vista. Das war der Plan. Leider fanden wir das Hotel nicht gleich und so standen wir auf einmal bei einer Familie im Hof. Mit jeden Einheimischen, den Alvaro unterwegs traf (zum Glück wohnen hier nicht so viele Menschen, sonst kämen wir gar nicht voran) wurde erst mal ein Schwatz abgehalten. Auch mit der Familie unterhielt er sich längere Zeit, die Kinder spielten im Hof und hinter dem Haus war das Vieh eingezäunt. Nachdem ihm ausgiebig erklärt worden war, wo sich das Hotel befand, parkten wir davor und sprangen aus dem Jeep. Von hier aus begann unsere Wanderung durch die Bananenplantagen. Keine Ahnung, ob man hier so einfach durchmarschieren konnte, wir machten es einfach. Alvaro erklärte mir viel, allerdings alles auf Spanisch. Ich verstand kein Wort und konnte nur ahnen, was er meinte. Es gibt also zwei Arten von Bananen, zum einen die normalen Bananen und die Kochbananen. Die Bananenstauden am Stamm waren in Folie eingewickelt, wegen der Moskitos. Ich weiß jetzt nicht genau, wozu das gut ist, aber so hab ich es verstanden. Die Kochbananen waren nicht in Folie eingewickelt. Alvaro legte ein ganz schönes Tempo vor und ich kam kaum hinterher. Mein Knie schmerzte, vielleicht war die Wanderung (ohne Gepäck) doch nicht so eine gute Idee.

Und wir machen eine kleine Dschungelwanderung.

Nachdem die Bananenplantage zu Ende war, begann der Dschungel. Um uns herum üppiges Grün und totale Stille. Wir kämpften uns durchs Gestrüpp. Einmal rutschte ich ab und wäre fast in einem kleinen Bach gelandet. Alvaro half mir wieder heraus. Der Weg war extrem unwegsam. Alvaro hatte beschlossen, dass wir einen kleinen Berg erklimmen und nachdem wir uns durch die üppige Natur gewühlt hatten, wurden wir mit einer tollen Aussicht belohnt. In der Ferne sah ich kleine Punkte am Himmel – Gleitschirmflieger. Schön hier. Man hatte einen tollen Blick über die Berge und auf der anderen Seite über das Valle de Cauca. Wir kämpften uns den Weg wieder zurück, fanden unterwegs eine Kaffeeplantage (so das hätten wir jetzt auch abgehakt) und kamen wieder am Bella Vista an. Alvaro sprach mit dem Hotelbesitzer und ich bekam eine Hotelbesichtigung vom Dachboden bis zum Keller. Alles war komplett aus Bambus gebaut, auch die Möbel. Hotelgäste sah ich nicht. Das Hotel Bella Vista hatte seinen Namen echt verdient. Der Ausblick vom Balkon war grandios hier hochoben in den Bergen. Die Startplätze sind auch nicht weit. Ist eigentlich eine perfekte Fliegerunterkunft. Dann fuhren wir zurück nach Roldanillo. Ich traf Jens und Christian und sie erzählten mir von ihrem Flugabenteuern. Christian war auf einem Feld gelandet, musste Stacheldraht überwinden, hatte sich den Weg durch ein Zuckerrohrfeld gebahnt, drei Hunde abgewehrt, Papaya geerntet und unfreiwilligerweise Hunderte Kletten an der Hose mitgebracht. Jens war heute 25 km geflogen und sehr stolz darauf. Ein Laster mit Landarbeitern auf der Ladefläche, die gerade vom Feld kamen, hatte ihn mitgenommen. Den restlichen Nachmittag verbrachte ich in der Hängematte. Heute wurde eine Vogelspinne vor einem Fenster im El Corral gesichtet – iiiiiiiiiiiiiih. Zum Glück nicht vor unserem. Scheiß Tropen.

Wie ich später erfuhr, sind Bananenplantagen ein beliebter Rückzugsort der kolumbinanischen Riesen-Vogelspinne. Zum Glück hab ich das nicht eher gewußt 🙂 !! Die Beinspannweite kann bis zu 20 cm betragen. Würg.

Meinem Knie ging es heute nicht besser. Ich beschloss mit zum El Pico hinauf zu fahren und dann oben in den Bergen die einheimischen Lokale zu besuchen. Es war heute, wie so meistens vernebelt und als die Wolken sich verzogen, starteten alle hinaus. Diego war der letzte, aber er sauste mit seinem Gleitschirm den steilen Berg hinunter, hob nicht ab und blieb mit seinem Fuß im Stacheldraht hängen. Ich war mega erschrocken. Zum Glück hatte er sich nicht verletzt. Das sah echt gefährlich aus. Der Berg war so steil, dass man nur auf allen vieren hinunterkraxeln kann. Auch Maria, eine Kolumbianerin, die ich hier kennen gelernt hatte, kletterte hinunter und wir beide wollten helfen. Ebenso Alvaro. Mit großer Mühe gelang es Alvaro, Diego aus dem Stacheldraht zu befreien und den Gleitschirm wieder hinauf zu tragen. Zum Glück verzichtete Diego auf einen zweiten Start, die Leinen waren extrem verfitzt. Wenig später kamen Sanitäter vom Aguapanela herüber, weil sie diesen missglückten Start gesehen hatten. Wir konnten Sie beruhigen, dass nix passiert war und sie zogen wieder ab. Das ist ja eine super Rettungskette hier. Alvaro, Maria, Diego und ich fuhren im grünen Jeep zurück nach Roldanillo. Wir gingen in Diegos Lieblingskneipe und besuchten zuvor noch eine Schneiderwerkstatt. Hier sah es echt aus wie in der Antike, uralte Nähmaschinen und der Schneider war auch nicht mehr Jüngste. Er versprach Diegos Gurtzeug zu nähen, da er sich da ein ziemliches Loch hineingerissen hatte durch den Stacheldraht.

Jens hatte heute wieder einen super Flug gemacht, war anderthalb Stunden unterwegs und 25 km geflogen. Er war auf der La Pista in der Nähe vom El Corral gelandet, ich vermute mal auf dieser Flugzeugpiste wurden früher Drogen ausgeflogen. Leider hatte der Wind kurzfristig gedreht über den Boden und er wurde über die Pista geschleift. Aber nix Schlimmes passiert, Jacke kaputt und paar größere Schrammen am Arm.

Wenn El Chipri keine Zeit hat, sind wir mit Alvaros grünem Jeep unterwegs.

Ich begleitete heute die anderen Piloten in die Berge und sprang bei Aguapanela aus dem Jeep. Ich wollte diesen Startplatz einmal besichtigen und war nicht die einzigste, die diese Idee hatte. Für viele Kolumbianer ist es eine nette Freizeitbeschäftigung hierher zu fahren, um sich das Spektakel anzusehen. Sie müssen hinter einer Absperrung Platz nehmen, auch ich stand dort. Aber da ich irgendwie aussah, als ob ich fliegen könnte, durfte ich den Startplatz betreten. Von hier aus konnte man schön den El Pico sehen, der wie eine Stecknadel aus der Landschaft herausragte. Es war sehr viel los hier. Die große Wiese war leicht geneigt, also super Startbedingungen, total easy. Nur ins Tal ist der Weg noch weiter als vom El Pico aus. Man konnte sich hier etwas zu Essen kaufen, Kaffee schlürfen, Hängematten zwischen den Bäumen gab es auch, ein echt chilliger Ort hier. Auf Baumstümpfen als Sitzgelegenheit wurden Briefings abgehalten. Nachdem ich genug gesehen hatte, wollte ich zu den Häusern zurück an der Straße laufen, um dort etwas zu essen. Unterwegs begegnete mir ein Hund, der knurrte und mich verfolgte. Ich dachte an die Tipps vom Chris, brüllte den Hund an und schmiss einen Stein nach ihm. Er war davon nicht sonderlich beeindruckt und verfolgte mich trotzdem im gebührenden Abstand. Bei der ersten Bambushütte machte ich Halt um den Hund abzuschütteln und bestellte mir einen Kaffee.

Abwarten und Kaffee trinken, heißt die kolumbianische Devise.

Der Besitzer war ein junger Mann von knapp 20 Jahren. Er war sehr nett und wollte sich immer mit mir unterhalten. So musste wieder mein Googleübersetzer auf meinem Handy herhalten. Wir unterhielten sehr lange und ich probierte die Kaffeesorten durch. Die Familie besaß eine Kaffeeplantage hier in der Nähe und ich erwarb wunderbaren duftenden Kaffee als Mitbringsel für zu Hause. Theoretisch musste an dieser Straße eigentlich ein Bus vorbeikommen, aber bis jetzt hatte ich noch keinen gesehen. Aber ich hatte ja Zeit. Später gesellten sich noch zwei Tschechen dazu, mit den ich mich bisschen in Englisch unterhalten konnte. Endlich kam der Bus, ich verabschiedete mich von dem netten jungen Mann und wir fuhren ins Tal. Unterwegs sammelte der Busfahrer noch Zuckerrohrarbeiter und andere Bewohner auf. Von den Kindern im Bus wurde ich angestarrt.

Am Nachmittag treffen wir uns dann wieder in Roldanillo.

In Roldanillo angekommen, stellte ich fest, dass Max ganz in der Nähe war (durch den WhatsApp Standort). Ich fand ihn in einem Café, wo er mit einem kolumbianischen und einem rumänischen Piloten ins Gespräch vertieft war. Dann kam Jens. Er erreichte Roldanillo diesmal auf einem Motorrad. Er war heute richtig weit geflogen, über 30 km und in Zarzal auf der gegenüberliegenden Talseite auf einem Feld gelandet. Ein Motorradfahrer hatte seine Landung gesehen und ihn am Feld abgeholt. Der Gleitschirmhelm wurde als Motorradhelm umfunktioniert und sein Gleitschirmgepäck befand sich auf seinem Rücken während der Fahrt. Wir gingen wieder in unser Lieblingscafe und dann wollte ich noch ein bisschen shoppen gehen. Aber ehrlich gesagt, hier gab es nichts zu shoppen. Die Piloten unserer Gruppe hatten heute wieder Rekordflüge absolviert. Mehrere sind 100 km weit geflogen und einer ist auf La Pista noch im Regen gelandet. Ja schon Wahnsinn.

Abends war Tanzen angesagt im El Corral, es stand ein Salsakurs auf dem Plan. Fand ich super. Mir wurde von den Salzatänzerinnen bestätigt, dass ich das sehr gut hinbekommen hätte. Na wenigstens etwas, was ich kann. Um ehrlich zu sein, ich finde Salsa echt toll. Auch Alvaro tanzt manchmal auf dem Dach seines Jeeps, wenn er diese coole Musik hört. Die Kolumbianer strahlen sowieso sehr viel Lebensfreude aus. Das gefällt mir. Und tanzen können sie alle. Heute wurde im El Corral für uns gekocht. Max steuerte zwei Melonen bei, die er geschenkt bekommen hatte, als er heute auf einem Melonenfeld gelandet ist. Ein anderer Pilot war auf dem Gelände einer Zuckerrohrfabrik gelandet. Da gab es zwar kein Zuckerrohr für ihn, aber er wurde mit einem Auto aus dem Firmengelände wieder herausgefahren, da das Gelände durch zwei Tore abgesperrt war.

Ich kaufe Schmuck bei den Indiofrauen.

Ich beschloss heute in Roldanillo zu bleiben und besichtigte als erstes die Kirche am Parque Elias Guerrero. Das Kirchendach bekam gerade einen neuen Anstrich von innen und ein Arbeiter stand auf einem 15 bis 20 m hohen wackeligen Gerüst und versuchte über seinem Kopf die Decke zu streichen. Puh. Natürlich ohne Sicherung oder so. Ich starrte auf den Altar und versuchte da nicht hin zu schauen, sonst würde mir noch schwindelig werden. Danach besuchte ich die Indios, die sehr schönen Perlenschmuck verkauften, den sie selber angefertigt hatten. Ich suchte mir einen schönen Kolibri aus und ließ ihn an meinen Rucksack nähen. Dann besuchte ich den El Palacio De Los Jugos (zu deutsch Saftladen), trank einen Saft und besichtigte anschließend den örtlichen Markt mit seinen unzähligen Hutständen. Ohne Hut geht hier nämlich kein Kolumbianer aus dem Haus. Zurück im Park chillte ich zusammen mit den alten Männern auf der Parkbank. Am Nachmittag kamen die Piloten eingetrudelt. Jens ist heute ein 31 km Dreieck geflogen, also insgesamt 70 km reine Flugstrecke – mega!!!!. Er war sehr happy drüber und ich freute mich auch. Zurück nach Roldanillo fuhr er mit einer Familie in ihrem ganz kleinen Auto. Das Platzproblem hielt sie nicht davon ab, ihn mitzunehmen.

Reiterfest

Abends fand in Roldanillo ein großes Reiterfest statt, die Cabalgata Feria. Es gab wieder einen großen Menschenauflauf und ganz Roldanillo war auf den Beinen. Reiten ist in Kolumbien ein beliebter Volkssport, auch in den Bergen begegneten uns immer wieder Einheimische auf Pferden. Die Damen und auch die Herren auf den Pferden hatten sich herausgeputzt und ließen die Schnapsflaschen kreisen. Hab aber nicht gesehen, dass einer aus dem Sattel gefallen wäre. Die Pferde liefen nicht im normalen Trab durch die Straßen, sondern trappelten im schnellen Schritt auf dem Pflaster, was für einen ziemlichen Geräuschpegel sorgte. Schien dem Straßenpflaster auch nicht so gut zu gefallen, das war am nächsten Tag etwas lädiert 🙂 Außerdem lagen in die Stadt nach der Parade überall Pferdeäpfel rum. Aber so ist das nun mal auf einem Reiterfest. War schön anzusehen. Diese Cabalgata Feria ist ein großes Ereignis hier und erstreckt sich über mehrere Tage.

Heute am Stadtplatz El Pico traf ich Maria wieder und Diego war wieder der letzte der startete. Nachdem er glücklich in der Luft war, atmeten Maria und ich hörbar auf und fielen uns lachend in die Arme. Diesmal hatte alles gut geklappt. Eine Brasilianerin legte einen top Start hin, aber bleib dann vor der Kante stehen. Auf meine Nachfrage hin meinte sie, dass der Blick in den Abgrund sie veranlasst hatte, den Start abzubrechen. Sie ist dann mit Maria, Alvaro und mir wieder zurück nach Roldanillo gefahren.

Karneval

Heute ist ja der große Karnevalsumzug hier in Roldanillo. In den zwei Wochen haben wir hier vier große Straßenfeste erlebt, die Kolumbianer verstehen sich echt aufs Feiern. Sehr sympathisch. Ich freute mich schon total darauf. Jens hatte darauf keine Lust und so schaute ich mir den Umzug eben alleine an. Es war total voll, aber die freundlichen Kolumbianer machten für mich Platz, damit ich in der ersten Reihe stehen konnte. Auch zuvor schon, als ich mich auf die überfüllte Treppe setzen wollte, rückten sie zusammen und boten mir einen Platz an. Sehr zuvorkommend die Menschen hier. Nun ja, es war kein brasilianischer Karneval, aber trotzdem irgendwie anders als bei zu Hause. Die Kostüme waren fantasievoll und bunt und natürlich wurde ausschließlich zu Salsa-Musik getanzt. Ich war begeistert, wie ausgelassen die kolumbianischen Tänzer sich bewegen und mit welcher Lebensfreude sie alles präsentieren. Zum Schluss fuhren die Willys vor (so werden die Jeeps hier genannt) und dann machten sie etwas, was ich noch nie gesehen hatte. Sie drehten sich wie wild auf den Hinterrädern im Kreis. Das war schon lustig anzusehen. Keine Ahnung, wie die das hinbekommen haben. Nach der Parade ging die Party weiter. Im Menschengewühl traf ich Jan. Er erzählte mir, dass er sich heute mit seiner Landung verplant hatte und dann irgendwo mitten in den Bergen gelandet ist. Die Gegend war nicht unbedingt bewohnt, aber in der Nähe gab es zum Glück eine Farm. Der Farmer hatte seine Landung gesehen und kam auf seinem Pferd in das unwegsame Gelände geritten, um ihn da rauszuholen. Großes Glück für Jan. Dann brachte er ihn zu seiner Farm und fuhr ihn dann mit dem Auto zur nächsten Straße. Tja, langweilig ist die Fliegerei in Kolumbien nicht.

Der Abschied fiel mir schwer. Wir mussten heute Koffer packen und chillten den Rest des Tages in der Hängematte. Horatio verabschiedete mich sehr herzlich und ich hatte den Eindruck, dass er Pilotinnen nicht so oft in seiner Pension beherbergt. Im Kleinbus fuhren wir zum Flughafen Armenia und unterwegs zeigte mir Jens seine Landeplätze aus den vergangenen zwei Wochen. Ja, schon sehr cool hier. In Armenia angekommen, fing es an zu regnen. Am Flughafen durften wir nicht einchecken, sondern mussten erst mal zu Drogenpolizei. Wir schauten uns blöd an. Zwar hatten wir nichts Verbotenes eingepackt, aber trotzdem ein komisches Gefühl. Die Beamten waren freundlich, aber durchwühlten unsere Koffer gründlich. Als sie die Gleitschirme fanden, wurden sie noch freundlicher. Zum Glück mussten wir nicht auch noch die Rettung auspacken, dann wäre es kompliziert geworden. Im El Corral hatte ich die Koffer im Tetris-Stil gepackt (Level 10) und nur mit Mühe und Not den Kofferdeckel zuklappen können. Aber das war nicht unser größtes Problem, das alles wieder einzupacken. Der Regen hatte sich inzwischen zu einem mächtigen Tropengewittersturm entwickelt, der gegen die Glasscheiben peitschte. Auf einmal sprang die Eingangstür auf und es gab einen lauten Knall. Es fühlte sich an, als ob das Flughafendach gleich abhebt. Von der Dachverkleidung regnete es kleine Teile in die Flughafenhalle. Zum Glück hatte ich aber nichts abbekommen. Dann fiel der Strom im gesamten Flughafengebäude aus. Wir standen im Dunkeln. Am Check-in-Schalter ging natürlich auch nix ging mehr. Ab und an flammte manchmal wieder ein Licht auf, aber der Check-in hatte seinen Betrieb eingestellt. Schließlich wurden wir dann per Hand abgefertigt, die hatten tatsächlich vor, hier noch einen Flieger rauszuschicken. Im Dunkeln gingen wir zu unserer Turboprop, besonders wohl war mir nicht dabei. Hoffentlich hatte wenigstens der Tower Notstrom. Die Turboprop hob ab und jetzt konnte ich das Gewitter auch von oben sehen. Wir flogen einen großen Bogen um die Wolke mit den Blitzen und dann verschwand das Unwetter in der Ferne. Puh. Nach einer Stunde landeten wir wohlbehalten in Bogota. Der Flughafen war zum Glück hell leuchtet  🙂  Von weiteren Kontrollen blieben wir verschont und für den Flug nach Hause brauchten wir diesmal nur zehn Stunden, da wir laut Aussage des Flugkapitäns Rückenwind hatten. Denn eine alte Fliegerregel lautet: „Fliegt man mit Rückenwind, dann fliegt man ganz geschwind.“

Kolumbien war das Land, welches mich am meisten überrascht hat. Weil es so ganz anders war, als ich es mir vorgestellt hatte. Im positivem Sinne. Dass man sich so problemlos allein durchs Land bewegen kann, per Anhalter, mit öffentlichen Verkehrsmitteln, so hatte ich mir das nicht vorgestellt. Dass die Kolumbianer so kontaktfreudig, hilfsbereit und freundlich sind, auch nicht. Dieses Land hat mir sehr gefallen und ich habe mich dort wohl gefühlt. Mich hat die Lebensfreude der Kolumbianer begeistert und ich möchte dort gern wieder fliegen gehen.
Im Valle de Cauca.
Hasta la vista.

 

zurück zur Übersicht