Reisebericht
Anreise nach Umbrien
Da wir schon in Norditalien geflogen sind, wollten wir mal Fluggebiete in der Mitte des Stiefels kennenlernen. So ging die Reise diesmal nach Umbrien. Leider ist es bis dahin mit dem Auto ziemlich weit, eventuell hätte man auch mit dem Flieger anreisen können. So planten wir unterwegs eine Übernachtung ein. Unsere Reise führte uns zunächst durch Österreich und so machten wir Halt in Wildschönau, um uns schon mal ein bisschen einzufliegen. Am Markbachjoch in Wildschönau sind wir auch öfters beim Fliegen anzutreffen, der Berg ist bestens geeignet, wenn man nach seiner Ausbildung die ersten Flüge allein absolvieren will. Erst ist nicht allzu hoch (500 Höhenmeter), alles ist überschaubar und die große Landewiese gut zu erreichen. Die 500 Höhenmeter kriegt man leider schnell rum, außer es steht gut Thermik an. Leider ist es mir hier oft nicht gelungen, mal länger oben zu bleiben. Ob das jetzt am Berg lag oder an mir, weiß ich nicht. Oben am Startplatz angekommen, machten sich wieder die Kühe breit, denn dieses Fleckchen Erde wurde oft doppelt genutzt, als Paraglider-Startplatz und Kuhweide. Wenn man den Schirm da ungeschickt auslegte, hatte der dann auch braune Kuhflecken 🙂 Genug Publikum hatte man hier immer auch beim Start, wahrscheinlich warteten sie darauf, dass mal was passiert. Ich tat ihnen den Gefallen. Der Blick in die Leinen vorm Start fällt immer nur kurz aus und als ich abhob, zog der Schirm nach links. Jens brüllte in den Funk „Verhänger“. Ich schaffte es fliegend knapp über den Zaun am linken Rand der Wiese, der Schirm zog immer in diese Richtung. Leider war ich schon in der Luft, an eine unfallfreie Landung war hier nicht zu denken. Ich bekam gewaltiges Herzklopfen. Der Schirm flog aber, nur zog er immer nach links. Als ich Abstand vom Berg gewonnen hatte, versuchte ich den Verhänger zu lösen, indem ich am Stabilo zog. Nichts tat sich. Allerdings getraute ich mir auch nicht, allzu heftig daran zu ziehen. Nach ein paar Versuchen gab ich auf und steuerte schnurstracks den Landeplatz an, immer bemüht vorsichtig die Richtung zu korrigieren. Ich war sehr erleichtert, als ich auf der Wiese landete. Das hatte mir einen gehörigen Schrecken eingejagt.
Nach dieser Aufregung fuhren wir am Spätnachmittag weiter nach Italien und übernachteten in Bologna. Den nächsten Tag verbrachten wir an einem Strand, ehe die Fahrt weiterging nach Nocera Umbra. Hier mitten in den Bergen, etwas außerhalb vom Ort lag unsere Unterkunft, die Villa della Cupa. Die Gebäude sahen aus, als hätten sie schon mehrere Hundert Jahre auf dem Buckel. Alles war sehr rustikal eingerichtet inklusive einem offenen Kamin. Gefiel mir total hier. Abends lernten wir unsere Fliegertruppe im hauseigenen Restaurant kennen. Wir waren drei Pärchen und noch drei alleinfliegende Piloten + Fluglehrer (Alex) + Fluglehrerfreundin. Ein großes Hallo, denn Alex kannten wir aus Namibia. Das Restaurant befand sich in einem alten Weinkellergewölbe, überall standen die großen Fässer herum. Daneben brannte ein offenes Feuer, darauf wurden die Speisen zubereitet. Sehr rustikal alles und sehr cool. Das sah nicht nur optisch sehr ansprechend aus, das Essen war es auch. Original umbrische Speisen wurden hier serviert, alles selbstgemacht und unglaublich schmackhaft. Schon allein das Olivenöl überraschte mich. Zu Hause schmeckt das Öl was ich kaufe, halt nach Öl. Aber hier hatte es so ein wunderbares Aroma, dass man es sich pur auf das soeben aus dem Ofen gekommene Ciabatta träufelte. Lecker. Der Wein, der Grappa – alles vorzüglich. Der Fliegerurlaub ging ja schon mal gut los.
Fliegen am Monte Subario
Als wir am nächsten Morgen aufwachten, schauten wir aus dem Fenster erst mal ins umgebende Grün. Die Sonne schien, es versprach ein schöner Tag zu werden. Im Gewölbekeller nahmen wir das Frühstück ein, dann fuhren wir zum nächstgelegenen Flugberg, den Monte Subario. Oben angekommen, standen wir an einer sanft abfallenden Wiese, die sich lang dahin zog – der Startplatz. Ich startete, flog die Wiese ab, immer mehr an Höhe gewinnend und erreichte die Kante. Jetzt konnte man den Landeplatz sehen. Hier oben an der Bergkante konnte man etwas soaren. Die Landung war auch nicht kompliziert, nur ein einziger Baum stand am Landeplatz, aber den musste man nicht treffen. Wir flogen den ganzen Tag hier. Eine Pilotin kam mit zu wenig Höhe angeflogen und verfehlte die Wiese nur knapp. Sie landete in einem extrem kleinen Garten, der begrenzt war durch Hauswände, Bäume, Stromleitungen und Zäune. Alles ging gut. Mir war unklar, wie man auf einem so begrenzten Raum eine unfallfreie Landung hinbekommen konnte. Aber sie schaffte es. Respekt. Den Abend verbrachten wir in einer Pizzeria. Wow, also vom Pizzabacken verstehen die hier echt was!
In Castelluccio
Am nächsten Morgen ein Blick aus dem Fenster – viel Bewegung im Grün. Der starke Wind heute eignete sich nicht zum Fliegen hier in der Umgebung, deshalb schlug Alex vor nach Castelluccio zu fahren. Das war etwas weiter weg, aber vielleicht war es dort flugtauglich. Als wir in Castelluccio ankamen wehte es hier allerdings genauso heftig. Mist. Der Ort liegt sehr malerisch auf einem Hügel auf einer Höhe von 1.452 m inmitten einer weiten grünen Hochebene, umgeben von weitläufigen baumlosen Bergen. Der höchste ist der Monte Vettore mit seinen 2.478 Höhenmetern. Sieht ja nach einem super Fluggelände aus, wenn da nur der Starkwind nicht wäre. Im Frühsommer wird die Hochebene jeder Jahr in ein Farbenmeer getaucht, wenn die unzähligen Mohn-, Raps-, Linsen-, Sauerkleeblüten, Narzissen, Veilchen, Enziane, Kornblumen und Margeriten rot, gelb, weiß, lila und blau erblühen. Jetzt war aber leider alles schon verblüht und es gab nur eine Farbe – grün. Wir wanderten etwas durch die Graslandschaft und erklommen einen potenziellen Startplatz. Nur ein unerschrockener Pilot von uns wagte den Start. Er kam aber nicht groß vorwärts da oben und stand mehr oder weniger in der Luft. Alle anderen konnten Castellucio nur von unten aus besichtigten. Diese mittelalterliche Stadt mit den engen steilen Gassen bot allerlei Aussichtspunkte und allerlei Leckereien, wie zum Beispiel luftgetrocknete Schinkenkeulen, schwarze Trüffel und die besten Linsen von ganz Italien. Diese raren Linsen sind bei Feinschmeckern sehr beliebt und landen zum Beispiel als Lenticchie alla castellucciana auf dem Teller. Die Linsen sind fast nur hier im Dorf erhältlich, da die jährliche Ernte-Menge sehr begrenzt ist. Wir sammelten unseren Piloten wieder ein und waren abends wieder zurück in unserer Villa della Cupa.
Fliegen am Monte Cucco
Obwohl es heute auch recht wehte, machten wir uns auf zum Monte Cucco. Hier oben auf dem Berg wehte es allerdings noch heftiger. Denn leider ist der Berg auch bekannt für seinen etwas stärkeren Wind. Da der Startplatz groß und nur leicht abschüssig war, entschieden wir uns fürs Groundhandling hier oben. Eine Pilotin holte ihren kleinen Groundhandlingschirm hervor, hatte keinen Helm auf und nur ein Gurtzeug ohne Protektor am Rücken. Auf einmal hob sie ab. Alle Versuche wieder am Hang einzulanden schlugen fehl, sie kam einfach nicht runter. So flog sie schließlich hinaus ins Tal, es war der einzigste Gleitschirm in der Luft. Zum Glück kam sie ohne Probleme unten auf irgendeiner Wiese an. Große Erleichterung bei uns allen. Der Wind wehte immer noch kräftig, aber hatte einige Zeit später dann doch etwas nachgelassen. Und so wagten sich einer nach dem anderen hinaus. Nur ich nicht. War mir immer noch zu viel, außerdem beherrschte ich noch nicht den Rückwärtsstart. Es dauerte längere Zeit, bis ich mich dann doch entschloss zu fliegen. Denn ich saß als Einzigste hier noch rum, das war blöd. Alex und noch ein Pilot halfen mir beim Start. Mittlerweile war es Mittag, die Thermikablösungen blubberten den Berg hinauf und wir drei warteten eine ruhige Phase ab in der ich starten konnte. Ich war schon ziemlich aufgeregt, da die Bedingungen mir nicht so recht taugten. Ich musste nicht rennen, zack, war der Schirm oben und ich in der Luft. Es war ein Sektkorkenstart, es ging geradeaus nach oben. In ca. 10 bis 15 m Höhe blieb ich stehen in der Luft. Es ging nur millimeterweise vorwärts. Hm, vielleicht sollte ich mal den Beschleuniger einlegen, sonst stehe ich heute Abend noch hier, ging es mit durch den Kopf. Gerade als ich mir das überlegte, bekam ich die gleiche Aufforderung auch über Funk. Danach konnte ich wegfliegen vom Berg und hatte noch einen sehr schönen Thermikflug an einem vorgelagerten Hügel. Auch die anderen hatten super Flüge und sind lange in der Luft geblieben. Ich war stolz, dass ich mich getraut hatte.
Fliegen am Tre Pizzi
Am Spätnachmittag war noch ein Flüglein am Monte Subario angesagt und am nächsten Tag sollten wir einen neuen Flugberg kennenlernen, den Tre Pizzi. Woher der Berg seinen Namen hat, weiß ich nicht, wie drei Pizzen sah er nicht aus. Wir rumpelten den Berg hinauf und oben bot sich uns ein phantastisches Panorama. Das konnten wir allerdings nur durch die Wolkenfetzen hindurch sehen, die den Berg hinauffegten. Als man gelegentlich bis ins Tal sehen konnte, starteten die ersten in die Wolkenlücken. Ich wartete, bis sich der Nebel komplett verzogen hatte. Dann startete ich auch. Ich flog vorm Berg hin und her, betrachtete das überwältigende Panorama und als ich weit unterhalb der Bergkuppe war, flog ich hinaus. Unterwegs stellte ich fest, dass ich es nicht mehr bis zum Landeplatz schaffen würde. Da war es besser sich gleich hier etwas Komfortables zum Landen zu suchen als anderswo, wo ich keinen Überblick von oben hatte. Ich bemerkte, dass Jens unter mir ein Feld angesteuert hatte, auf welchem er mit seinem Gleitschirm aufsetzte. Also war klar, das ist auch mein Landefeld. Ich fegte knapp über einen Stacheldrahtzaun hinweg und setzte auf einem Acker auf, auf welchem Ziegen weideten und es durch die Exkremente ziemlich nach Ziege roch. Gut angekommen zu sein war aber die Hauptsache. Beim Schirmzusammenpacken bemühte ich mich möglichst keine Ziegenköttel mit einzusacken. Danach mussten wir uns einen Weg durchs wilde Gestrüpp zurück zum Landeplatz bahnen. Beim zweiten Flug war es ähnlich. Auch hier landete ich woanders, aber nicht am Landeplatz. Damit war ich übrigens nicht allein, denn alle aus unserer Fliegertruppe erreichten den offiziellen Landeplatz niemals, bis auf eine Pilotin. Ja unglaublich! Diese wurde natürlich ausführlich interviewt, wie sie das denn geschafft hätte. Das Geheimnis war wohl, dass sie mit Beschleuniger geflogen ist.
Am nächsten Tag waren wir schon wieder hier. Wir hatten alle den Ehrgeiz, mal endlich bis zum offiziellen Landeplatz zu fliegen. Leider sah das Wetter nicht gut aus. Am Berggipfel hatten sich wieder die Wolken aufgetürmt, man konnte nicht viel sehen. Also hieß es abwarten. Dann war die Sicht wieder frei, aber vom Tal her konnte man sehen, dass dunkle Wolken aufzogen. Zwei unerschrockene Piloten (nicht aus unserer Truppe, Alex hatte Flugverbot erteilt) flogen am Gipfel herum und machten auch keine Anstalten landen zu gehen. Als sie sich endlich Richtung Landeplatz aufmachten, war es zu spät. Wir konnten von oben beobachten, dass sie es nicht schafften zu landen. Der Wind musste heftig sein im Tal, das konnte man von hier aus sehen, die Regenwolken waren mittlerweile auch schon da. Sie kamen einfach nicht runter und flogen dazu noch rückwärts. Dann versperrten Wolken die Sicht und wir konnten sie nicht mehr weiter beobachten. Ich war mir sicher, dass das kein gutes Ende genommen hatte. Nachdem der Regen durchgezogen war, starteten wir alle. Allerdings hatte sich weiter im Tal schon wieder eine dunkle Wolke platziert, aber Alex meinte, die ist kein Problem. Als ich hinausflog, ging es ausschließlich nach oben, obwohl ich ausschließlich geradeaus flog. Es ging immer höher und höher und bald befand ich mich auf Augenhöhe mit den dunkelgrauen Wolken. Eins war klar, den Landeplatz würde ich erreichen 🙂 Mir war ziemlich unwohl, die Wolke links sah auch nicht sehr freundlich aus. Ich schaute böse zurück und betätigte mal meinen Beschleuniger. Endlich ging es auch mal bisschen nach unten. Allerdings hatte ich mich verkalkuliert, ein paar Meter vor dem Landeplatz setzte ich dann auf einem leicht schlammigen Acker auf. Na Hauptsache unten. Die zwei Sturmpiloten sind auch noch irgendwie irgendwo heil herunter gekommen, erfuhren wir am Landeplatz.
Mittelalterliche Städte und frisch geerntetes Olivenöl
Neben der Fliegerei hier in Umbrien fanden wir auf unserer Durchreise zu den Fluggeländen auch noch etwas Zeit den bedeutenden Pilgerort Assisi zu besuchen. Die Stadt ist der Geburtsort des Heiligen Franz von Assisi, daher der Name. Wir liefen etwas in der mittelalterlichen Stadt herum und das gleiche machten wir in Gubbio. Diese Stadt wurde ebenfalls wie Assisi schon in der Römerzeit erwähnt und seit dem 15. Jahrhundert soll sich hier wenig verändert haben, denn durch das harte Kalkgestein blieb alles sehr gut erhalten. Was neu hinzugekommen ist, waren elektrisches Licht, Cola-Automaten, Autos und Antennen. In Gubbio kamen mir die Gassen fast noch steiler vor, da die Stadt direkt an einem Berghang errichtet wurde. Bei der Piazza Grande lehnten wir uns über eine Mauer, man hatte von hier aus einen guten Weitblick über halb Umbrien. Sehr sehenswert beide Städte, nicht nur für Mittelalterfans.
Einen Zwischenstopp legten wir auch in einer Olivenölplantage ein. Nach Besichtigung der Anlage zur Olivenölherstellung waren wir im Bilde wie das funktioniert. Die dazugehörigen Bäume hatten wir schon in der Einfahrt gesehen und eine Olivenölverkostung folgte im Anschluss. Was es nicht so alles gibt! Nach der Verkostung war klar, so ein Öl gibts bei uns nicht im Supermarkt. Jeder von uns kaufte Olivenöl und so stapelten sich die Kanister in unserem Fliegerbus. Vielleicht sollten wir jedes Jahr zum Olivenöleinkauf und zum Fliegen nach Umbrien fahren 🙂
Der letzte Tag war gekommen, wir nahmen Abschied von Alex, unserer Fliegertruppe, der Villa della Cupa und legten auf unserem Rückreiseweg einen Badestopp am Ligurischen Meer ein. Die Nacht verbrachten wir in der Nähe von Verona und am nächsten Tag standen wir am Gardasee. Hier gab es auch einen Flugberg, denn vom Monte Grappa kann man je nach Startplatz bis 1.400 lockere Höhenmeter zum Gardasee hinunterfliegen. Kein Wunder, dass hier Sicherheitstrainings stattfinden, bei der Arbeitshöhe. Allerdings hätte ich erst mal drei Grappa gebraucht, um hier fliegen zu gehen. Nach Besichtigung des Landeplatzes fiel meine Entscheidung, ich flieg hier nicht. Ich hab es nicht so mit Punktlandung. Es war ein nicht allzu großer Grasplatz, der auf der einen Seite vom steilen Berg und auf den anderen drei Seiten vom See umgeben war. Außenlandung hieß hier Wasserlandung. Das Grasplätzchen sollte man also auf jeden Fall treffen. Mit Schwimmweste zu fliegen war hier Pflicht. Ein Schnellboot stand immer am Ufer bereit, um wassergelandete Piloten gegen 25 Euro aus dem See zu fischen. Bezahlt wurde dann wahrscheinlich mit nassen Scheinen 🙂 So gondelten wir den Monte Grappa zwar hinauf, aber nur um die Aussicht zu genießen. Und was soll ich sagen, die war absolut grandios.
Umbrien ist definitiv eine Reise wert, nicht nur wegen des Olivenöls, auch die Fliegerei ist sehr schön.