Reisebericht
Auf nach Südamerika
Ich hatte gehört, dass man in Chile an 365 Tagen im Jahr Gleitschirm fliegen kann. Und zwar deshalb, weil an jedem Tag das gleiche Wetter herrscht. (Oho, wie langweilig. Hier gibt es keine Gesprächsthemen über das Wetter.) Da in Deutschland flugtechnisch im Januar eh nicht viel los war, hieß es also – auf nach Südamerika.
Das erste Problem bestand allerdings darin, die Gleitschirmausrüstung UND unsere Klamotten in jeweils einen Koffer zu bekommen. Denn wir konnten nur einen Koffer (23 kg) pro Nase sowie Handgepäck mitnehmen. Wir flogen diesmal mit drei verschiedenen Fluggesellschaften, Lufthansa, TAN und LAN. Ich packte hin und her, aber mit der Gleitschirmausrüstung war der Koffer bereits voll. Dann strich ich alles von der Liste, was ich auch vor Ort kaufen konnte (Sonnencreme, Duschkram usw.). Die T-Shirt’s wurden eingerollt und jede noch so kleinste Lücke im Koffer damit ausgestopft. Der Rest kam in den Rucksack, der ebenfalls fast platzte. Was nicht mehr unterkam, zog ich an, insbesondere die schweren Fliegerstiefel und drei Jacken. Hier war ja tiefster Winter, da konnte ich den Zwiebellook gut vertragen.
Während dieser Winter hier weitgehend schneefrei blieb – wie meistens – begann es ausgerechnet am Nachmittag unseres Abflugtages wie wild zu schneien. Erst nur leicht und dann immer heftiger. Unser Flug nach São Paulo sollte am Abend losgehen und als wir am Flughafen ankamen, herrschte totales Schneechaos. Nicht nur auf den Straßen, sondern auch auf den Landebahnen. Das war blöd. Kaum waren diese vom Schnee befreit, wurden sie auch schon wieder zugeschneit. Der Abflug verzögerte sich dadurch ständig und als wir in der Maschine saßen, musste diese auch noch enteist werden. Mit zwei Stunden Verspätung hoben wir im Schneesturm ab. Auch wenn der Flieger richtig Gas gab, unser Anschlussflug in São Paulo war weg, das war klar. In São Paulo angekommen hatten wir Mühe zusammen mit den anderen gestrandeten Passagieren einen Flug nach Santiago de Chile zu bekommen. Nach endloser Warterei saßen wir endlich im Flieger, aber der letzte Flug nach Iquique am Abend war ebenfalls weg. So mussten wir unplanmäßig in Santiago de Chile übernachten und flogen am nächsten Morgen mit der ersten Maschine in den Norden Chiles, nach Iquique. Total übermüdet schaute ich aus dem Fenster, über den Anden ging langsam die Sonne auf, ein tolles Schauspiel. Aber die Odyssee war noch nicht zu Ende, denn in Iquique kam nur ein Koffer von uns beiden an (zum Glück meiner). Jens seiner befand sich noch in Santiago. Damit war seine Laune endgültig dahin und er wollte wieder nach Hause.
Der Fluglehrer holte uns vom Flughafen in einem klapprigen verrosteten Jeep ab, aber wir waren froh endlich da zu sein. Es war dunstig, die Landschaft sehr karg und es sah alles nicht so einladend aus. Kurz vor der Stadt bogen wir von der Hauptstraße ab. In der Nähe eines Containerverladeplatzes, wo vier verrostete Tonnen die Weiterfahrt versperrten, bog er links ab. Hier lag das Fliegercamp Altazor, unsere Bleibe für die nächsten zwei Wochen. Puh. Sah auch nicht sehr einladend aus, hätte mal einen neuen Anstrich vertragen können. Sah im Internet irgendwie viel schöner aus!! Das Fliegercamp lag am Rande der Wüste und bestand aus zusammengesetzten Container, wahrscheinlich sind die vom Containerhafen nebenan übriggebliebenen. Für die einzelnen Container gab es keine Zimmernummern, sondern die Zimmer wurden nach Flugmanövern benannt. Wir wohnten im B-Stall. Unser B-Stall hatte ein normales und ein Doppelstockbett auf engstem Raum, einen Schrank und ein kleines Bad. Es gab sogar warmes Wasser, das wurde auf dem Dach von der Sonne erwärmt. Im Erdgeschoss befand sich die Gemeinschaftsküche. Die Anlage befand sich etwas oberhalb vom Meer – man hatte einen schönen Blick auf den Pazifik – und nachts hörte man die Wellen rauschen. Im Hof gab es einen Platz zum Entstanden der Schirme und zum Toplanden, aber nur für sehr geübte Piloten geeignet. Wenn man da nicht genau zielt, bleibt man schnell mal an der Tischtennisplatte hängen. Hier lernten wir auch die anderen Reiseteilnehmer kennen, die ja bereits alle gestern, wie geplant, angereist waren. Unsere Gruppe bestand aus neun Piloten und zwei Fluglehrern. Während die anderen schon mal eine Runde fliegen gingen, ruhten wir uns erst mal in dem schönen Doppelstockbett aus.
Ausgeruht und ausgeschlafen sah die Welt hier in Chile auf einmal schon viel freundlicher aus. Mittlerweile hatte sich die Sonne durchgekämpft und die anderen hatten bereits ihren ersten Flug von Alto Hospico gemacht. Wir deckten uns im Supermarkt mit Lebensmitteln ein, denn hier waren wir Selbstversorger. Am Nachmittag fuhren wir die Küste entlang nach Paulo Buque. Das zweite Fahrzeug (unsere Fahrzeugkolonne bestand aus einem Jeep und einem Kleinbus) war übrigens genauso verrostet, es war also egal in welchem man mitfuhr 🙂 Hier in der Atacama Wüste, nicht weit von der Stadt entfernt, kann man hervorragend Fliegen an den riesigen Dünen. Ein gewaltiger Sandspielplatz lud hier also zum Groundhandeln und Fliegen ein. Allerdings wehte der Wind auch recht heftig. Wohin man blickte überall Sand, zu richtigen Gebirgen aufgetürmt. Um uns ein bisschen einzufliegen, stiegen wir auf einen Hügel hinauf. Von dieser Anhöhe sollten wir starten. Mein erster Start ging gleich schief. Ich landete unsanft am Boden und riss mir ein Loch in die Hose. Im Laufe des Urlaubs wurde das Loch immer größer und als es wieder nach Hause ging, musste die Hose in Chile bleiben. Zusammen mit Jens seinen Stiefeln, die haben die Reise auch nicht überlebt. Die Atacamawüste ist hier (natürlich) sandig und mit spitzen Steinen durchsetzt. Der Sand ist mit einer grauen Staubschicht bedeckt, sodass man immer total verdreckt aus der Wüste zurückkehrte. Kaum hatte man eine frische Hose angezogen, war die auch schon wieder mit diesem Atacamawüstenstaub eingedreckt.
Jens war mittlerweile mit dem anderen Fluglehrer zum Flughafen gefahren, um den fehlenden Koffer abzuholen. Zum Glück kam der mit der nächsten Maschine an. Keine Ahnung warum Gepäck und wir in getrennten Maschinen geflogen sind. Jens war total froh, endlich seinen Schirm wieder bei sich zu haben, denn ohne ihn wäre es kein Gleitschirmurlaub gewesen. Danach machten wir noch ein paar kurze Hüpfer von dem Hügel, ehe es abends wieder zurück zum Flightpark ging. Wir waren nicht die einzigsten Piloten hier im Fliegercamp „Altazor“, auch Piloten aus anderen Nationen nutzten diese günstige Übernachtungsmöglicheit. Und wie mir eine Pilotin aus unserer Reisegruppe versicherte: Man gewöhnt sich dran. Sie war schließlich auch schon einen Tag länger hier als ich und sie sollte Recht behalten.
Stadtbesichtigung von oben
Das man hier tatsächlich jeden Tag fliegen kann, betätigte sich den kompletten Urlaub. Jeden Tag das gleiche Wetter, jeden Tag Sonnenschein, jeden Tag der gleiche Wind. Am Vormittag konnte man bei Alto Hospico am besten fliegen, der Startplatz lag 500 m über der Stadt. Gegen Mittag nahm der Wind zu, dann war es besser die Hängematte aufzusuchen. Gegen Nachmittag waren die Bedingungen in Palo Buque fürs Dünenfliegen am besten. Also machten wir uns am nächsten Morgen fertig und stapften zur Bushaltestelle, denn Alto Hospico ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen. Genauer gesagt, eine Haltestelle gab es nicht und auch keine Abfahrtszeiten, man hält einfach den Daumen raus, wenn ein Bus vorbeifährt. Das hatte zur Folge, dass der Bus auch alle 100 Meter anhielt um Fahrgäste aufzunehmen. Wir allein füllten schon mal den halben Bus mit unserem Gepäck, für die Chilenen war da nicht mehr so viel Platz. Mitten in der Stadt mussten wir auf einen anderen Bus umsteigen. Den chilenischen Nahverkehr mal so hautnah zu erleben war auch nicht schlecht. Mitunter kam man auch mit den Chilenen ins Gespräch, dann wurden Handybilder aus der Heimat gezeigt mit unseren Gleitschirmen und sattgrünen Wiesen. Diese Farbe fehlte hier fast komplett, war nur manchmal ein Farbtupfer in dem Einheitsgraugelb. Der Bus schlängelte sich in Serpentinen den Berg hinauf. Je höher wir fuhren, umso schöner wurde die Aussicht auf die Stadt. Von Alto Hospico war es noch ein kleiner Fußmarsch zum Startplatz.
Wir waren nicht die Einzigsten hier. Der Startplatz war gut frequentiert von einheimischen und Piloten aus aller Welt. Die Aussicht von hier über die Stadt und den Pazifik war atemberaubend. Noch nie in meiner Fliegerkarriere bin ich über eine so große Stadt geflogen, das versprach also spannend zu werden 🙂 Der Startplatz war groß und einfach, aber besonders am Rand etwas vermüllt. Aber hey, man ist in Südamerika. Gelandet wurde unten am Strand. Dafür kamen drei Strände in Frage, zum Strand Playa Huayquique unterhalb des Flightparks legte man die kürzeste Flugdistanz zurück, das schaffte man im Gleitflug. Zum riesigen Playa Larga musste man über einen Teil der Stadt fliegen. Dazu drehte man erst schön auf an der Kante, um Höhe zu tanken für den Überflug. Auch die riesigen Dünen am Stadtrand boten die eine oder andere Abrisskante für die Thermik. Denn eine Landemöglichkeit in der Stadt gab es nicht. Der dritte Strand Playa Cavancha lag noch weiter weg, dazu musste man die komplette Stadt überqueren. Dieser Strand war gut frequentiert, da man dort auch Baden konnte. Aber so zwischen den Badetüchern zu landen, ist nicht so mein Ding. Der Playa Largo eignete sich zum Baden nicht, dort waren die Wellen zu hoch. Deshalb war dieser Strand auch total leer. Sehr praktisch für ein entspanntes Landen.
Die Aufgabe heute war, zum nächstgelegenen Strand zu fliegen. Der Start war einfach, der Wind stand prima an und schon segelten wir einer nach dem anderen über die Wüste, dann am Flightpark und an ein paar Hochhäusern vorbei Richtung Meer. Die Strandlandung war auch einfach, wochentags war hier nicht viel los. Ein cooler Flug! Unten holte uns der Fluglehrer mit unserem Kleinbus ab. Allerdings stand uns da nur die Hälfte des Platzes alle Piloten und das Gepäck zur Verfügung. Eingequetscht und übereinandergestapelt hielten wir aber die kurze Fahrt bis zum Flightpark durch. Besser als laufen 🙂 Wir waren bester Stimmung.
Nach der Siesta im Container im Doppelstockbett oder besser draußen in der Hängematte, ging es am Nachmittag wieder in die Dünenlandschaft von Palo Buque. Hier pfiff ein immer etwas stärkerer Wind, den brauchte man aber auch, um an den riesigen Dünen zu soaren. Zuerst machten wir immer Groundhandling und dann arbeiteten wir uns von unten die Düne ein Stück hinauf, bis man starten konnte. Man musste nicht die ganze Düne hinaufklettern, 10 Meter hinauf reichten schon. Nach dem Start gegen den Wind flog man immer schön seitlich mit dem Rücken zur Düne entlang, bis man genug Höhe hatte. Guter Tipp vom Fluglehrer, das Gewicht weg von der Düne und sich mit der Bremse zur Düne hinziehen zu lassen. Bekommt man einen Klapper oder dergleichen, hat man das Gewicht schon auf der richtigen Seite. Ist halt wichtig, wenn man so hangnah fliegt. Da ich in Namibia gelernt habe, mich vom Wind die Düne hinaufziehen zu lassen, machte ich das und es klappte auch gut. Hatte ich also nicht verlernt. Danach Kobrastart (funktionierte auch noch) und ich war in der Luft. Hey super. Jetzt konnte ich die Sandlandschaft aus der Luft betrachten. Die Gleitschirme am Boden waren auf Miniaturgröße geschrumpft. Draußen glitzerte das Meer in der langsam untergehenden Nachmittagssonne. Nachdem ich den Sandberg kreuz und quer abgeflogen war, landete ich wieder weich im Sand. Dummerweise machte ich den Fehler, meinen Schirm in einer Düse auszuschütteln. Da haute es mich nochmal richtig hin und das Loch in meiner Hose wurde noch größer. Natürlich war der Schirm nach unserem Palo Buque Besuch voller Sand. Im Flightpark gab es einen Entsandeplatz und jeden Tag schüttelten wir dort mehrere Kilogramm aus unserem Schirmen. Aber selbst wenn Piloten jeden Tag Sand aus Palo Buque mitbringen, ist immer noch genug da für die nächsten Jahrmillionen.
Meine Flüge von Alto Hospico wurden immer schöner, höher und interessanter. An dem ersten Strand landete ich nie wieder, denn jetzt war eine Stadtquerung angesagt. Normalerweise bekomme ich Panik, wenn ich über eine Ortschaft fliegen soll. Lieber fliege ich über ein Gebiet, auf dem ich zur Not auch landen kann. Schließlich ist Iquique keine Kleinstadt, sondern hat 150.000 Einwohner. Aber jetzt musste ich das mal wagen. Und es war auch gar nicht so schwierig und wurde mit einem sensationellen Flug belohnt. Ich hatte ständig den Fluglehrer im Ohr, die echt auf alles schauten, auch beim Start und mir auch sagten, ob die Höhe reichte für die Stadtquerung. Dadurch fühlte ich mich sicher. Zuerst hieß es schön aufdrehen an der Kante, die sich 500 m über der Stadt erhob. Die Stadt selber ist von dieser Soaringkante umgeben und am Stadtrand gibt es noch einige große Dünen. Nachdem ich genug in der Thermik aufgedreht hatte, konnte ich den Geradeausflug über die Stadt wagen. Obwohl ich immer nervös nach unten blickte, ob die Höhe denn auch noch bis zum Strand reichern würde, war es doch gigantisch über so eine große Stadt zu fliegen. Unter sich sah man die Straßen und die Autos. Man flog ganz nah über die Hochhäuser hinweg, wow, das war was ganz anderes, als was ich bis jetzt fliegerisch erlebt hatte. Unheimlich spannend. Unser Fluglehrer fliegt schon mal zwischen zwei Hochhäuser hindurch, das hab ich natürlich nicht gemacht. Der Strand zum Landen war riesig und menschenleer. Die Brandung war gewaltig, hier konnte man nicht baden. Also gab es auch keine Badegäste und kein Strandlaken störte die Landeeinteilung. Unser Treffpunkt war immer das grüne Hochhaus in der Mitte des Playa Largo, denn hier gab es hervorragende Eisbecher. Wenn man es schaffte bis zum Hochhaus zu fliegen, musste man nicht so weit laufen. Was für ein toller Flug. Ich war echt stolz, dass ich die Stadtquerung geschafft hatte. Den Schirm legte man entweder am Strand zusammen oder in den Grünanlagen neben der Hauptverkehrsstraße, schon etwas ungewöhnlich.
Es sollte mir nicht nur einmal gelingen, die Stadt zu überfliegen und es war jedesmal ein großartiges Abenteuer. Aber nicht immer schaffte ich es. Vor jeder Stadtquerung musste ich entscheiden, ob die Höhe reichte. Einmal kehrte ich sogar auf halber Strecke wieder um. Wenn die Höhe nicht reichte, landete man eben am Stadtrand in den Dünen ein. Das war auch kein Problem. Dann hatte man allerdings einen längeren Fußmarsch vor sich oder man nahm den Bus. Ich entschied mich immer für den Fußmarsch, da ich bei dem chilenischen Nahverkehr nicht durchblickte. Unser Fluglehrer warnte uns vor einer Stelle am Stadtrand, wo wilde Hunde wären. Blöderweise musste ich einmal dort in der Nähe auf einem extrem verstaubten Sportplatz einladen. So schnell hatte ich noch nie meine Sachen zusammengepackt!! Die Hunde ließen sich zum Glück nicht blicken. Ich war total allein hier. Dann lief ich in die Stadt, hatte ungefähr eine Ahnung, wo der Strand war. Die Stadtviertel sahen hier schon etwas ärmlich aus. Für chilenische Verhältnisse aber bestimmt die bessere Wohngegend, denn selbst am Startplatz lebten Menschen in Bretterhütten. In den Dünen vor der Stadt landete ich öfters. Auch direkt am Flightpark an den Dünen konnte man einlanden. Da war der Weg zur Hängematte extrem kurz. Vor den Hunden hatte ich am meisten Angst. Aber zum Glück begegneten wir uns nicht. Im Flightpark gab es auch einen Hund. Den hatten wir am Abend mit den Resten unseres Essens gefüttert. Am nächsten Morgen hatte er auf den Entsandeplatz gekotzt. Was er uns damit sagen wollte, weiß ich auch nicht. Aber nicht nur dem Hund, sondern mir wurde auch einmal so richtig schlecht.
Weißwurst und Brezn und andere kulinarische Spezialitäten
Eines Abends besuchten wir ein großes Stadtfest. Es war echt toll. So wie bei uns, nur mit südamerikanischem Flair. Einwohner von Iquique, die aus anderen Ländern stammten (Peru, Bolivien, Venezuela, Kolumbien usw.), hatten Stände aufgebaut und verkauften Souveniers und verschiedene Speisen aus ihrer Heimat. Ein Verkäufer hatte sogar ein Lama mitgebracht, wahrscheinlich um den Verkauf seiner bunten Lamadecken anzukurbeln 🙂 Außerdem wurden Folkloretänze aus den jeweiligen Ländern aufgeführt. Überall ertönte Musik und an jeder Straßenecke wurde gegrillt. Ich probierte auch hier und da mal was vom Grill und es hat eigentlich alles sehr gut geschmeckt. An den Ständen konnte man neben all den bunt gewebten Taschen und Plüschlamas aus echtem Lamafell auch ganz offiziell Kokablätter kaufen. Soso. Die Blättchen waren nicht mal teuer. Hilft gegen die Höhenkrankheit habe ich gehört. Aber Iquique liegt ja unten am Meer. In der Nacht darauf ging es mir schlecht. Mein Magen rebellierte und im Laufe des Tages bekam ich noch hohes Fieber. Ich lag apathisch in unserem Doppelstockbett und fragte mich, ob jetzt Bolivien, Peru oder Paraguay dafür verantwortlich war. Die nächste Nacht überlebte ich auch dank der Tabletten unseres besorgten Fluglehrers. Am nächsten Morgen fühlte mich immer noch schlapp und verbrachte den Tag in der Hängematte. Mit Blick in den Himmel schaute ich den anderen beim Fliegen zu. Auch am nächsten Tag war noch abhängen angesagt, aber mittlerweile ging es mir wieder besser. Ansonsten kochten wir am Abend selber oder nutzten den Grill für eine tolle Grillparty oder wir gingen in verschiedene Restaurants der Stadt. Es gab chilenische Italiener mit Pizza und Spaghetti, es gab chilenische Chinesen mit Bami Goreng und Frühlingsrollen und einmal saßen wir in einem chilenischen Bayern-Restaurant mit Brezn und Weißwuscht. Hat nicht ganz Original geschmeckt, aber wir waren ja auch ziemlich weit entfernt vom Weißwurschtäquator 🙂
Während meine Hose immer mehr kaputt ging, fiel bei Jens seinen Fliegerstiefeln auf einmal die Sohle ab. Da war nichts mehr zu retten. Also ging es Schuhkauf nach Iquique. Unsere Autos parkten wir in der Nähe des Hafens und hier roch es überraschenderweise ziemlich nach Fisch. Die Pelikane standen bereit für die Fischabfälle oder sie liefen auf dem Parkplatz umher auf der Suche nach Fisch. Sogar eine Robbe robbte zwischen den Autos herum. Wahrscheinlich auch auf der Suche nach Fisch. Hihi. Wir liefen etwas durch die Stadt und fanden schließlich einen Schuhladen. Irgendwie haben die Chilenen nicht so große Füße wie die Europäer, bei Größe 42 ist Schluss. Jens brauchte aber die 43. Nach längerem Suchen im Lager tauchte dann doch noch Outdoorstiefel in der Größe 43 auf. Puh. Es war das einzigste Outdoostiefelpaar, da hatten wir keine Wahl bei Farbe oder Modell. Wahrscheinlich lagen die schon seit Jahren im Regal. Aber egal. Nach einer kleinen Stadtbesichtigung ging es am Nachmittag wieder wie jeden Tag nach Palo Buque.
In Paulo Buque machte ich jetzt mehr Groundhandling, als das ich flog, da ich den Rückwärtsstart immer noch nicht beherrschte. Ich startete ja bei jedem Wind immer vorwärts raus. Leider kam ich beim Schirmaufziehen (eine Hand A-Gurte, andere Hand D-Gurte), wie es mir der Fluglehrer hier gezeigt hatte, nicht so gut zurecht. Später (aber nicht in diesem Urlaub) wurde mir von einem anderen Fluglehrer eine andere Technik gezeigt (beide A-Gurte + Bremsen in der Händen seitenverkehrt), das funktionierte gleich bei mir. Vor allen Dingen, weil man beim Ausdrehen alles auch schon richtig in der Hand hat. Hat halt jeder seine eigene Methode.
Jens flog die Düne auf und ab und war schwer begeistert wie leicht das Fliegen hier ist. Das Besondere: Eigentlich startet man ja vom Boden aus und arbeitet sich dann die Düne hoch. Trotzdem kann man beachtliche Höhen erreichen beim Fliegen und hat einen phantastischen Blick auf die Atacamawüste und das Meer. Oft flogen wir bis zum Sonnenuntergang. Einmal packte ich meinen Schirm zusammen, die Sonne war gerade untergegangen und auf der anderen Seite erschien der Mond am Himmel. Cool.
Iquique mit seinen Stränden an der Pazifikküste ist ein Urlaubsparadies für die Chilenen. Auch wir gingen gelegentlich Baden. Am Playa Huayquique unterhalb vom Flighttpark badete man neben Felsen, welche mit roten Seesternen übersät waren. Am Playa Cavancha konnte man sich auch nicht weit ins Meer wagen, dafür waren die Wellen zu hoch. In einem unachtsamen Moment hatte mich so eine Welle umgehauen und erst mit einiger Mühe kam ich wieder an die Oberfläche, kurz vor dem Strand. Meine Sonnenbrille, die ich trug, war natürlich verschwunden. Aber siehe da, nach einer Weile wurde auch sie an den Strand gespült, genau wie ich. Am Playa Largo, das war der riesige Strand an dem wir immer landeten, dürfte man sich ja nicht mal in die Nähe der gewaltigen Wellen wagen.
Die Geisterstadt Humberstone
Aber die Atacamawüste hat noch viel mehr zu bieten als viel Sand. Wenn auch in Iquique nicht viel los war, Humberstone in der Atacamawüste war wirklich ausgestorben. Diese Geisterstadt wurde vor 60 Jahren aufgegeben, das wollten wir uns unbedingt mal ansehen. Als wir ausstiegen, war es extrem heiß und staubig, die Sonne knallte unbarmherzig vom Himmel. In Iquique, in der Nähe des Pazifiks, herrschten dagegen immer angenehme Temperaturen. In Humberstone wurde bis vor 60 Jahren Salpeter abgebaut, das stinkt übrigens heute noch. Um die Salpeterwerke wurde eine kleine Stadt für die Arbeiter inmitten in der Wüste errichtet. Durch die Einführung der in Deutschland entwickelten Ammoniak-Synthese in den 1920er Jahren wurde der Salpeterabsatz immer schwieriger. 1961 wurde die Stadt schließlich aufgegeben. Dementsprechend sieht es hier aus. Die Zeit scheint stehengeblieben zu sein und das trockene Wüstenklima hat alles ganz gut konserviert. Eine Schule konnte man besichtigen und ein Hotel, den Marktplatz, eine Kirche und sogar ein Theater. Zum Teil waren Möbel noch sehr gut erhalten und in der Küche konnten wir in die Blechkochtöpfe schauen. Dort fanden wir aber kein mumifiziertes Essen 🙂 Weiter entfernt befanden sich die Salpeterwerke, dort stank es extrem nach Salpeter. Die Balken der Werkshalle waren mit einem undefinierbaren braunen Zeug verkrustet. Gruselig. Eine gespenstische Atmosphäre, alles morbide und verfallen, aber auch total interessant. Abends fuhren wir wieder zurück nach Iquique. Um den Salpetergestank wieder loszuwerden, wollten wir noch eine Runde fliegen gehen, denn auf dem Rückweg kamen wir in Alto Hospico vorbei. Die Sonne war gerade dabei im Pazifik zu versinken und als wir eben unsere Schirme ausgepackt hatten – drehte der Wind. War also nix mehr mit einem Abgleiter zum Flightpark. Schade. Die Sonnenuntergangsstimmung hoch über der Stadt war trotzdem toll.
AusFlug in den Norden Chiles
Ein weiterer Ausflug sollte uns nach Pisuaga führen. Diesmal waren wir auf einer Asphaltstraße Richtung Norden unterwegs. Dann bogen wir von der Straße ab und fuhren querfeldein Richtung Meer. An einer imposanten Steilküste machten wir Halt. Die Landschaft war gigantisch und absolut menschenleer. Unterhalb der Steilküste erblickten wir eine karge Halbinsel, dorthin sollten wir hinunterfliegen. Die Fluglehrer drängten uns zur Eile, denn der Wind wurde immer stärker. Etwas mulmig war mir schon. Die Halbinsel war ein einziger gigantischer Landeplatz, kein Baum, kein Strauch störte die Landeeinteilung, nur eine Hütte war zu sehen. Der Start klappte gut und so flog ich vor der Steilküste in Serpentinen hin und her. Dann steuerte ich ein kleines Stück aufs Meer hinaus. Schließlich flog ich eine Bucht entlang, schwenkte zur Insel rüber und landete sanft auf dem staubigen Boden. Der Flug war total schön. Nach und nach trafen auch alle anderen ein. Unser Fluglehrer macht sich derweil auf nach Pisuaga, um ein Fischerboot zu besorgen, welches uns abholen sollte. An einem markanten großen weißen Felsen voller Vogelscheiße sollte der Treffpunkt sein. Wir liefen zu dem Felsen hin und warteten. Nichts passierte. Wir stiegen die höchste Felserhebung hinauf und starrten aufs Meer. Ganz schöne Brandung hier. Überall lagen Knochen herum, Schädel, Wirbelsäulen, Rippen … wie ich erschrocken feststellte. Die Insel war regelrecht damit übersät. Nach einigem Rätseln einigten wir uns auf Seelöwenknochen. Mit der Zeit wurde es ziemlich hieß, die Sonne brannte vom Himmel und es gab nichts was Schatten spenden konnte, kein Baum, kein Strauch, ja nicht mal ein Grashalm. Das Boot kam immer noch nicht. Wir beschlossen zum einzigsten Haus der Insel aufzubrechen, vielleicht gab es ja dort ein schattiges Plätzchen.
In dem Haus, völlig autark hier in der Einöde, wohnte eine Fischerfamilie mit ihren zwei Kindern. Wir durften uns auf der überdachten Veranda ausruhen. Das Haus war aus Brettern gebaut, aber hatte Wasser (Wassertank auf dem Dach) und Strom (Dieselgenerator). Weit und breit gab es keine Nachbarn. Die Kinder holten Eier von den Hühnern im Hof fürs Mittagessen und die Frau werkelte in der Küche. Einer der Jungs zeigte mir ein verletztes Küken, was er immer streichelte. So vertrieben wir uns die Zeit. Endlich wurde über Funk durchgegeben, das Boot nähert sich. Wir brachen auf zum Vogelscheißefelsen. Mit dem Gleitschirmgepäck auf dem Rücken war das echt schwierig auf den Felsen herumzuklettern. Das Fischerboot schwankte auf und ab und mir war ein Rätsel, wie wir bei diesem Wellengang an Bord kommen sollten. Aber wir hatten ja ein paar Nordlichter in unserer Fliegertruppe, die schon wussten was zu tun war. Zuerst wurde das Fischerboot an zwei Stellen mit einem Seil am Ufer befestigt und dann sollten wir, wenn die Welle am höchsten war, hineinspringen. Ich hatte arge Zweifel, dass das klappte und sah mich schon auf der Knocheninsel zurückbleiben. Aber es funktionierte tatsächlich. Bei jeden Wellenhöchststand wurde entweder ein Gleitschirmsack oder ein Pilot ins Boot gehievt. Endlich waren wir alle an Bord. Das war ja eine coole Aktion. Unsere Fahrt ging jetzt die Küste entlang nach Pisuaga. Es herrschte ziemlicher Wellengang, das Fischerboot war auch nicht gerade riesig und das Ufer weit weg. Nach einiger Zeit fing es an zu stinken. Was war da los? Wir näherten wir uns Felsen im Wasser und diese Felsen waren randvoll mit Seelöwen belegt. Auch hier hatten die Seevögel die Felsen wieder weiß angestrichen. Die Seelöwen machten ziemlichen Krach, das war ja eine lautstarke Unterhaltung. Es war sehr cool, so nah an denen vorbeizufahren und sie dabei zu beobachten wie sie sich sonnten, faul herumlagen, elegant ins Wasser sprangen oder einfach nur dösten und schliefen. Wow.
Endlich kamen wir im Hafen an. Auch hier war das Geschaukel groß, aber wir erreichten alle trocken den Landungssteg. Der Ort machte einen ziemlich heruntergekommenen, verlassenen und staubigen Eindruck. Ich glaube der Begriff „Am A…. der Welt“ wurde hier erfunden. Der Ort liegt am Meer und ist von der Atacamawüste umgeben. Iquique ist weit weg. In einem Haus, hinter einer grünen Plane, wurde für uns ein Mittagessen aufgetischt. Es gab fangfrischen Fisch, Reis, Pommes, Zwiebeln, Tomaten und schmeckte ausgesprochen lecker. Nebenan saß die Familie der Köchin und schaute Fernsehen. Nach dieser Stärkung sahen wir uns etwas im Ort um, coole übergroße Graffiti befanden sich an manchen Hauswänden, die einzigste Farbe an diesem staubigen Ort. Auf einem Platz wurde Seetang getrocknet. Es gab sogar ein Theater hier, aber es war verlassen und verfallen, so im Humberstone-Stil. Trotzdem fand ich es irgendwie cool hier.
Wir bestiegen wieder die Autos und es ging weiter die einsame Küste entlang. Manchmal wand sich die Straße die Steilküste hinauf, sodass man in die Tiefe blicken konnte. Endlich kamen wir zu einer einsamen Bucht, die sich gut zum Fliegen eignet, laut unseres Fluglehrers. Wir stiegen aus. Außer dem Meer, der endlosen Atacamawüste und uns gab es hier nichts. Leider war der Wind zu stark fürs Fliegen. Wir warteten eine geraume Zeit, aber dann brachen wir ab und führen zurück in die Zivilisation. Eine echt einsame Landschaft hier an Chiles Nordküste. War ein sehr spannender Ausflug.
Sehr spät am Abend, es war schon fast Mitternacht, kam eine andere Fliegergruppe hier im Flightpark an. Der chilenische Chef von Altazaor hatte das mit der Buchungsüberblick nicht ganz so im Griff, denn es waren nicht mehr genug Zimmer frei. Wir verzogen uns mal schnell in unseren B-Stall, nicht dass der noch auf dumme Ideen kommt und unser Doppelstockbett viererbelegt. Irgendwie sind die anderen dann doch noch untergekommen, teilweise hier und teilweise woanders. Jeden Tag fragten sie uns seitdem, wann wir denn endlich abreisen 🙂 Leider war für uns auch irgendwann der letzte Tag hier gekommen, noch einmal über Iquique fliegen und noch einmal in die untergehende Sonne fliegen an den höchsten Dünen der Welt in Palo Buque. Heute trafen wir an der chilenischen Düne brasilianische Piloten und für den nächsten Abend wurde sich hier zu einer Grillparty verabredet. Leider konnten wir nicht dabei sein, denn am nächsten Tag sollte unsere Reise nach San Pedro de Atacama gehen. Am nächsten Morgen verabschiedeten wir uns von allen, es war eine tolle Truppe und wir hatten jede Menge Spaß. Die meisten reisen morgen ab und einige bleiben auch wie wir noch einige Tage länger hier in Iquique zum Fliegen. Das Taxi brachte uns zum Flughafen und dort schaute sich Jens nach einem Mietauto um. Uns wurde geraten, einen Geländewagen für diese Reise zu nehmen. Als Jens mit einem riesigen Toyota Hillux vorfuhr, bekam ich erst mal einen Schreck und fand das jetzt doch reichlich übertrieben. Der war ja riesig, da brauchte ich ja schon zum Einsteigen eine Leiter. Man saß da drinnen ja wie in einem LKW. Auf der Ladefläche war eine 3 Meter hohe Wüstenfahne angebracht. Wie sich später herausstellen sollte, war dieses Gefährt genau das Richtige für unseren Andentrip.
In den Anden
Wir schmissen lässig unsere Koffer auf die Ladefläche und brausten los Richtung Süden, immer die Küstenstraße entlang. Unsere Koffer staubte es derweil mächtig ein da hinten, daran hatten wir nicht gedacht. Die Straße war asphaltiert, links das Küstengebirge und rechts das Meer. Ab und an kamen wir an ärmlichen Fischerdörfern vorbei, oft waren es nur Holzhütten, in denen die Menschen lebten. Sehr bewohnt war die Küste nicht. Nachdem wir einige Zeit unterwegs waren, kamen wir an einen Checkpoint. Wir hatten keine Ahnung was das soll und außerdem hatten wir keine Spanischkenntnisse. Das waren schon mal zwei Minuspunkte. Alle anderen stiegen aus, die Autos wurden durchsucht. Wir beide sahen uns an und wussten nicht was wir machen sollten. Jens beschloss mal langsam weiter zu fahren, zum Schlagbaum der offen war. Kaum sah das einer der Uniformierten, knallte er vor uns den Schlagbaum runter. Kein Weiterkommen mehr. Wir gingen zu einer Hütte, wo alle anstanden und der Beamte redete spanisch auf uns ein, aber wir verstanden (ja leider) kein Wort. Wir zeigten alle Ausweise vor, die wir bei uns führten, aber die wollte er nicht sehen. Wir waren verzweifelt. Etwas entnervt ging er zu unserem Auto, riss das Handschuhfach auf, entnahm ihm einen Zettel den er abstempelte und uns damit wegschickte. Mit dem Zettel in der Hand kamen wir tatsächlich durch den Schlagbaum. Puh. Allerdings hatten wir für die Rückfahrt jetzt keinen Zettel mehr, da mussten wir ja wieder hier durch. Na egal, wird schon passen.
Auf der Küstenstraße begegneten uns kaum Autos, alles sehr einsam hier. Irgendwann war der Asphalt zu Ende. Weiter ging die Fahrt auf dieser Steinschlagpiste nach Tocopilla, ab hier sollte eine Straße laut Google Maps durchs Küstengebiete ins Landesinnere führen. Wir fanden aber keine Straße. Nur zwei Fahrrinnen schlängelten sich die Berge hinauf. Wir waren uns uneins, ob das jetzt die versprochene Straße sein sollte oder nicht. Die Richtung stimmt aber, deshalb wagten wir es. Mir war total unwohl, außer uns waren hier keine Autos unterwegs, nur noch Trucks. Von Straße konnte keine Rede sein, aber gut, für den Hillux war das kein Problem. Zum Glück hatten wir keinen Smart gebucht. Endlos zog sich die Fahrt durchs Küstengebirge hin. Endlich erreichten wir eine Kreuzung bei der wir wussten, dass wir uns auf dem richtigen Weg befanden. Weiter ging es nach Chuquicamata bei Calama, vorbei an der größten Kupfermine der Welt. Kipplaster, welche gigantischen Ausmaße hatten, standen in großer Zahl vor der Mine. So ganz unbemerkt hatten wir übrigens ein Gebirge durchquert, wo unser Höhenmesser 3.300 m anzeigte. Nach endlosen sechs Stunden Fahrt fast ohne Pause erreichten wir das Hochplateau am Fuße der Anden, auf dem San Pedro de Atacama lag. Eine grüne Oase auf 2.450 m Meereshöhe inmitten einer der trockensten und einsamsten Landschaften der Erde. Nach einer Irrfahrt durch den Ort fanden wir endlich unsere Unterkunft. Auch diese war eigentlich nur mit einem Geländewagen erreichbar. Die Lodge war total schön, alles natürlich im Andenstil eingerichtet und im Hof grasten die Lamas. Voll das Südamerikaklischee. Wir warfen die Koffer in die Ecke, schwangen uns auf unseren Hillux und düsten in die karge Landschaft. Dann bogen wir von der Straße ab und fuhren querfeldein einen steilen Berg hinauf. Wow, mit dem Auto echt kein Problem. Oben angekommen beobachteten wir, wie die untergehende Sonne die Anden in ein magisches Licht tauchte. Ich fand San Pedro de Atacama bezaubernd, obwohl hier auch viele Touristen unterwegs waren. Am Abend suchten wir uns ein schönes Restaurant, wo es hervorragendes Essen gab und ließen es uns bei südamerikanischer Livemusik und Lagerfeuer schmecken. Und ich habe festgestellt, dass die Panflötenspieler bei uns aus der Fußgängerzone auch hier auftreten 🙂
Am Morgen schauten die Lamas bei uns zum Fenster herein. Ich war entzückt. Das Frühstück wurde landestypisch serviert mit Quinoa und Mate Tee. Die nette Lodgebesitzerin erklärte uns alles, was wir da aßen, allerdings auf Spanisch. Wir beschlossen heute, den Salar de Atacama, den größten Salzsee Chiles zu besuchen. Wir fuhren durch das Indiodorf Toconao und bogen danach auf eine Staubpiste ab. Das Hochplateau war riesig und auf der östlichen Seite von der Andenkordilliere begrenzt. In der Landschaft gab es keinen Baum und keinen Strauch, nicht mal einen Grashalm. Endlich erreichten wir den größten Salzsee Chiles, welcher 3.000 Quadratkilometer groß ist. Ein Ende des Sees war nicht abzusehen, er reichte bis zum Horizont. Überall Salz, es sah aus wie ein umgepflügter Acker, nur eben in Weiß. Gelegentlich waren noch Tümpel übrig, in denen rosa Flamingos fotogen herumstaksten. Ihre Farbe verdanken sie ihrer Nahrung, den kleinen Krebstierchen, die sie hier aus dem Trüben fischen. Es herrschte absolute Stille hier. Die Sonne brannte unbarmherzig vom Himmel, die Luft flimmerte. Um keine Sonnenstich zu bekommen, wickelte ich mir mein T-Shirt um den Kopf. Echt eine bizarre Landschaft hier.
Da es erst früher Nachmittag war, beschlossen wir noch ein Stück in die Anden zu fahren und die Laguna Miscanti und wenn wir schon mal dabei waren auch die Laguna Miniques zu besuchen. Allerdings wussten wir nicht, dass sie hoch in den Bergen liegen. Jens wollte gleich querfeldein eine Abkürzung zu der Asphaltstraße nehmen, ich war strikt dagegen und wollte zurück nach Toconao und dann dort auf diese Straße abbiegen. Aber er setzte sich durch und bretterte durchs Nichts. Wir waren die einzigsten weit und breit in dieser Einödlandschaft. Ich hatte total Angst, dass wir verloren gehen. Aha, dazu war die Wüstenfahne an unserem Hillux gut, dass man von anderen gesehen wird im Einheitsgrau. Aber wie vorhergesagt, erreichten wir zum Glück die Straße, noch ein paar tiefe Furchen überwinden und dann hatten wir es geschafft. Es ging stetig leicht bergan. Zur Laguna mussten wir wieder von der Hauptstraße abbiegen und eine Sandpiste zum Teil recht steil bergauf fahren. Die Hänge waren hier mit Ichu-Büschelgras bewachsen und in der Ferne sahen wir die hohen Gipfel der Anden. Oben am Bergkamm hielten wir an einer Hütte an. Wir trauten unseren Augen nicht, der Höhenmesser zeigte 4.300 m! Beim Aussteigen sah ich Sterne wo keine waren. Ich fühlte mich nicht besonders gut. Trotzdem fuhren wir weiter, die Indiofrau in der Hütte hatte uns den Weg gewiesen. Die Landschaft war außerirdisch. Die Laguna Miscanti und die Laguna Miniques waren die einzigsten grellen Farbtupfer in der kargen Landschaft. Der See hatte eine tiefblaue Farbe und hob sich damit von dem Einheitsbraungrau der Umgebung ab. Vinkunjas und Lamas mit Ihren Baby-Vikunjas und Baby-Lamas weideten am Ufer der Lagunen. Die Berge hier (alte Vulkankegel) waren 6.000 Meter hoch, wir befanden uns ja auf über 4.000 m. Unglaublich, eine gewaltige Landschaft. Ich spürte die Höhe, wahrscheinlich weil wir uns gestern noch am Meer aufgehalten hatten. Das Laufen fiel mir schwer. Ich mochte kaum einen Schritt gehen und wollte nur sitzen und die Landschaft betrachten. Auf dem Rückweg machten wir noch Halt in dem Indiodorf Socaire auf 3.300 m Höhe. Da ging es mir wieder besser. Jens kaufte im Dorfladen ein und wir besichtigten die Kirche San Santiago. Der Bau aus dem 16. Jahrhundert wurde aus Lehm errichtet und das Dach hatte man mit Ichu-Gras gedeckt. Die Inneneinrichtung wirkte sehr spartanisch. Die Kirche ist auf den knapp 6.000 m hohen Vulkan Miniques ausgerichtet, den wir kurz zuvor besucht hatten. Der Vulkan stellt für die Bevölkerung von Socaire ein Bergheiligtum dar. Auch in Indiodorf Toconao machten wir noch eine Rast und besichtigten die Kirche, ehe wir am Abend wieder das Panflötenrestaurant besuchten.
Eigentlich wollte ich gern zu den Tatio-Geysiren auf 4.300 m Höhe, welche an der bolivianischen Grenze liegen. Aber die Geysire arbeiten nur in der Frühschicht. Wenn die Sonne aufgeht und wenn es wärmer wird, machen sie Feierabend. Hat mit den Temperaturen zu tun. Außerdem war es ein weiter Weg auf unbequemen Straßen dahin. Jens konnte ich nicht dazu bewegen, mitten in der Nacht aufzustehen. So besuchten wir die warmen Vulkanquellen von Puritama auf nur 3.500 m Höhe. Die konnte man auch tagsüber besuchen. Auf unserer Fahrt Richtung Bolivien sahen wir überall auf den Berghängen riesige Kakteen. Ganz viel Grün gab es in der Schlucht mit den warmen Vulkanquellen. Ein Badeparadies hier mitten in den Anden. Schon cool. Das Freibad bestand aus acht kleinen Naturbecken, die untereinander mit kleinen Wasserfällen verbunden waren. Hohes Schilf umrahmte die Wassertümpel. Das Wasser war schön warm, entweder man ließ sich etwas im Becken treiben und nahm eine Dusche unter den kleinen Wasserfällen. Außerhalb des Wassers pfiff ein recht kalter Wind daher. Auch hier merkte ich die Höhe etwas, aber nicht so schlimm wie am Vortag. Cool wäre vielleicht auch gewesen an der Laguna Cejar baden zu gehen. Dort schwimmt man auf Grund des 40 prozentigen Salzgehaltes auch ohne Schwimmflügel auf dem Wasser. Leider keine Zeit. Ohne unseren Hillux wären wir hier nicht weit gekommen, das war inzwischen klar. Damit konnte man bequem seichte Wasserläufe durchqueren und unwegsames Gelände erobern. Für die Anden also genau richtig. Am Abend kehrten wir aus den Bergen zurück und wollten ins Valle de Luna, dem Tal des Mondes. Dieses Tal ist bekannt durch seine futuristischen und bizarren Landschaften, die wahrscheinlich vom Mond stammen könnten. Vermutlich sieht es da auch nicht anders aus. Hier hätten sie glatt die Star-Wars-Filme drehen können. Hinter jeder Abbiegung hatte ich das Gefühl, hier kommt gleich Obi-Wan Kenobi um die Ecke. Allerdings waren wir nicht die einzigsten hier im Valle de Luna, von dieser Attraktion hatten auch schon andere Touristen gehört. Dementsprechend war hier viel los. Erst fuhren wir mit dem Auto durch diese bizarre Landschaft. Felsen in komischen Formen, rote Felsen mit weißem Salz überzogen und surreal anmutende Berge türmten sich vor uns auf. An einer Stelle hielten wir und kletterten auf einen hohen Felsen. Dort balancierten wir dann oben am Grat einen schmalen Weg entlang, immer einen Fußbreit vor dem Abgrund. Hier fanden wir ein schönes Plätzchen, wo wir uns nieder ließen. Die Sonne ging langsam unter und machte die Szenerie noch schöner, indem sie alles in ein rotes Licht tauchte. Je nach Sonnenstand erstrahlte die Landschaft immer in einer anderen Farbe. Als die Sonne untergegangen war, wurde der 6.000 m hohe Vulkan Licancabur über San Pedro de Atacama noch lange angestrahlt. Was für ein schönes Abschluss unserer Reise, dieses phantastische Naturschauspiel. Kaum war die Sonne weg, wurde es rasch dunkel. Wir beeilten uns, um von dem Felsen zu klettern. Als wir in San Pedro ankamen, war es stockdunkel.
Am nächsten Morgen hieß es Abschied nehmen, noch einmal Lama streicheln und dann machten wir uns auf in den Ort San Pedro, den wir bis jetzt eigentlich noch nicht bei Tageslicht gesehen hatten, da wir ja tagsüber immer unterwegs waren. Ich fand es total schön hier. Es ist ein beliebter Ort für Backpacker aus aller Welt. Das Straßenbild ist von weißen Lehmhäusern und unbefestigten staubigen Gassen und Straßen geprägt. Das einzige Grün findet man auf der von Bäumen gesäumten Plaza de Armas, wo auch die älteste Kirche Chiles steht. Diese aus Lehmziegeln errichtete Dorfkirche hat Dachbalken aus Kaktusstämmen!! Tja, andere Länder, andere Baumaterialien. Sehr farbenfroh dagegen präsentierte sich der einheimische Markt, was an den vielen buntgewebten Tüchern und Taschen lag. Auch die Coca-Blätter waren wieder im Angebot. Mittags stiegen wir in unseren Hillux, um die Rückreise nach Iquique anzutreten. Diesmal wollten wir nicht die Küstenstraße nehmen, sondern die Straße im Landesinneren, die ja hoffentlich komplett asphaltiert war. Überall am Straßenrand sahen wir Kreuze, kleine Häuschen, sogenannte Animitas (kleine Seelen). Sie sind stumme Zeugen der Unfälle, welche sich hier ereignet haben. Die Gedenkstätten sind phantasievoll ausgeschmückt, manchmal wurde das Unfallauto gleich daneben drapiert. Es sind aber keine Stätten der Trauer, sondern der Erinnerung und machmal sogar Pilgerorte. Obwohl wir diesmal eine andere Straße fuhren, hatten sie auch hier einen Checkpoint errichtet. Aber wir kamen gut durch. Die Fahrt zog sich hin und es war sehr heiß. Weiter draußen in der Wüste konnten wir einen Sandsturn beobachten. Er kam immer näher und fegte schließlich über die Straße hinweg. Unser Auto wurde etwas sandgestrahlt und die Sicht war sehr eingeschränkt. Dann zog er weiter, der Sandsturm. Wir fuhren ohne Pause durch und machten nur kurz Rast, als wir ein Scharbild am Straßenrand entdeckten. Stammte vermutlich aus der Inkazeit. Überdimensionale Symbole waren hier in einen Berg gekratzt worden, ähnlich den Nasca-Linien in Peru. Nur musste man hier nicht in den Flieger steigen, um das ganze Bild zu überblicken.
Als wir in Iquique ankamen, waren wir total fertig. Jens konnte sich auch nicht mehr so konzentrieren und hätte um ein Haar einen Unfall gebaut, als er einem anderen Fahrer die Vorfahrt nahm. Ist zum Glück noch einmal gut gegangen. Am Abend kamen wir am Flughafen an. Ich war völlig erledigt, hatte jetzt aber noch einen 17-stündigen Flug vor mir. Bis Santiago de Chile ging alles gut. Danach wollten sie uns nicht nach São Paulo mitnehmen, das lag an unserer Umbuchungsaktion auf dem Hinflug, da war was schief gegangen. Nach endlosen Diskussionen früh um 04:30 Uhr am Check-in-Schalter saßen wir dann doch endlich im Flieger. Ein Glück. Vormittags kamen wir São Paulo an, eine riesige Stadt, vom Flieger aus konnte man kein Ende überblicken. Im Anflug sah man Favelas-Hütten und Hochhäuser, inmitten einer hügeligen grünen Berglandschaft. Der Weiterflug klappte reibungslos. Am Münchner Flughafen starrte ich auf meine Fliegerstiefel, die waren noch massiv mit Atacamawüstenstaub bedeckt 🙂 Irgendwie kamen wir ja auch auf direktem Wege aus San Pedro de Atacama hierher. Jens wechselte zu Hause Schuhe und Klamotten und ging sogleich in die Arbeit. Wow. Auch ich wechselte Schuhe und Klamotten und begab mich auf die Couch. Ich war voll fertig von der langen Reise. Zum Glück hatte ich noch einen Urlaubstag mehr gebucht.
Dieser Gleitschirmurlaub war toll und hielt was versprach – jeden Tag Sonne, jeden Tag fliegen. Er bot tolle Flugerlebnisse an der höchsten Düne der Welt und beim Überflug über eine große Stadt. Es hat uns sehr gut gefallen und wir werden gewiss wiederkommen.